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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Lage
gebracht, wie Ihr zugeben werdet, und mir blieb bedauerlicherweise nichts
anderes übrig, als Reißaus zu nehmen.«
    Sir
Bliant machte eine Pause und starrte ins Feuer. Dann erheiterte sich seine
Miene.
    »Na
ja«, sagte er, »schließlich können wir nicht alle Helden sein, wie?«
    »Ganz
recht«, sagte König Pelles.
    »Außerdem
war ich verwundet«, sagte Sir Bliant, froh, eine Entschuldigung gefunden zu
haben, »und war nahe dran, ohnmächtig zu werden.«
    »Klar.«
    »Diese
beiden sind also mit mir zum Schloß galoppiert, auf jeder Seite einer, und
haben mir die ganze Zeit Hiebe verpaßt. Ich weiß bis zum heutigen Tage noch
nicht, wie ich überhaupt mit dem Leben davongekommen bin.«
    »Es
stand in den Steinen geschrieben«, sagte der König.
    »Wir
sind an den Schießscharten des Außenwerks vorbeigeprescht wie der Teufel, und
da muß uns der Wilde Mann gesehen haben. Wir hatten ihm eine Kammer im Vorwerk
eingerichtet, versteht Ihr. Nun ja, auf jeden Fall hat er uns gesehen, und
hinterher haben wir entdeckt, daß er mit bloßen Händen seine Fesseln gesprengt
hat. Es waren eiserne Fesseln, und an den Fußgelenken hatte er auch welche. Er
hat sich scheußlich dabei verletzt. Dann kam er aus der Hintertür gejagt, mit
blutigen Händen und fliegenden Ketten, und hat Bruces Helfershelfer aus dem
Sattel gezerrt und ihm sein Schwert abgenommen und Bruce eins auf den Schädel
gegeben, daß der kopfüber vom Gaul purzelte. Der zweite Ritter wollte den
Wilden Mann von hinten erdolchen – der war gänzlich ungerüstet – , aber da hab’
ich dem Burschen die Hand abgeschlagen, als er grad zustieß. Dann retteten die
beiden sich auf ihre Pferde und verschwanden wie der Wind. Die haben ein
schönes Tempo vorgelegt, kann ich Euch sagen.«
    »Das
war Bruce, wie er leibt und lebt.«
    »Mein
Bruder war das Jahr bei mir zu Besuch. Ich hab’ zu ihm gesagt: ›Wieso haben wir
diesen guten Mann in Ketten gelegt?‹ Ich hab’ mich geschämt, als ich seine
verletzten Hände sah. ›Der ist doch glücklich und zufrieden‹, hab’ ich gesagt,
›und jetzt hat er mir das Leben gerettet. Den dürfen wir nie wieder fesseln.
Wir müssen ihm die Freiheit geben und für ihn tun, was wir können.‹ Wißt Ihr,
Pelles, mir gefiel der Wilde Mann. Er war friedlich und dankbar, und mich hat
er mit ›Herr‹ angeredet. Furchtbarer Gedanke, daß es vielleicht der große Dulac
war – und wir haben ihn in Ketten gelegt, und er hat mich unterwürfig ›Herr‹
genannt.«
    »Wie
ist’s denn ausgegangen?«
    »Er
hat sich etliche Monate ganz ruhig verhalten. Dann kamen die Hatzhunde aufs
Schloß, und einer aus dem Gefolge ließ sein Pferd und seinen Speer an einem
Baum stehen. Damit ist der Wilde Mann auf und davon. Irgend was hat da in
seinem armen Hirn eingehakt, versteht Ihr: Rüstung, Kampf, Jagd, adlige Taten –
oder so. Da wollt’ er dann mitmachen.«
    »Armer
Kerl«, sagte der König. »Armer, armer Kerl! Es kann durchaus Sir Lanzelot
gewesen sein. Letzte Weihnachten soll ihn ein Keiler getötet haben.«
    »Die
Geschichte möcht’ ich gerne hören.«
    »Wenn
Euer Mann Lanzelot war, dann ist er dem Keiler nach, den sie auf dem Korn
hatten. Es war ein berühmter Keiler, der die Hunde seit Jahren an der Nase
herumführte, deshalb war das Feld nicht zu Fuß. Lanzelot stellte den Keiler,
und der machte seinen Gaul hin. Ihn selber erwischte es furchtbar am
Oberschenkel. Bis auf den Knochen wurde er aufgeschlitzt. Und dann hat er das
Biest erledigt. Mit einem Hieb schlug er ihm den Kopf ab. Das war in der Nähe
einer Einsiedelei. Der Einsiedler kam heraus, und Lanzelot war so wütend –
wegen seiner Wunde und allem – , daß er sein Schwert nach dem Mann warf. Das
habe ich von einem Ritter gehört, der dabeigewesen ist. Er hat gesagt, es sei
todsicher Sir Lanzelot gewesen – richtig häßlich und alles – , und dann hat er
gesagt, er und der Eremit hätten ihn in die Höhle getragen, nachdem er
ohnmächtig geworden war. Er hat gesagt, die Wunde hätte kein Mensch
überleben können, nun ja, und er hat auch wirklich gesehen, wie er gestorben
ist. Daß der Wilde Mann ein großer Ritter gewesen sein müsse, das sei ihm ganz deutlich
geworden, als dieser im Todeskampf neben dem toten Keiler gestanden und den
Eremiten mit ›Gefährte‹ angeredet habe. Da seht Ihr: am Ende war er vielleicht
doch eine Spur gesund.«
    »Armer
Lanzelot«, sagte Sir Bliant.
    »Gott
sei ihm gnädig«, sagte König Pelles.
    »Amen.«
    »Amen«,
wiederholte

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