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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Sir Bliant, ins Feuer blickend. Alsdann stand er auf und schüttelte
sich.
    »Ich
muß gehn«, sagte er. »Wie geht’s Eurer Tochter? Ich hab’ ganz vergessen zu
fragen.«
    König
Pelles seufzte und stand ebenfalls auf.
    »Sie
ist zu Gast im Kloster«, sagte er. »Ich glaube, nächstes Jahr wird sie den
Schleier nehmen. Nächsten Samstag werden wir sie jedoch sehen dürfen – da kommt
sie zu einem kurzen Besuch nach Hause.«
     
     
     
     
     
    KAPITEL 20
     
     
    Nachdem Sir Bliant
heimgeritten war, beschäftigte sich König Pelles wieder mit biblischer
Genealogie. Die Sache mit Lanzelot ließ ihm keine Ruhe. Wegen seines Enkels
Galahad war er persönlich an der Angelegenheit interessiert. Wir alle sind
einmal von unserer Frau oder Freundin fast um den Verstand gebracht worden;
König Pelles war sich jedoch darüber im klaren, daß es in der menschlichen
Natur eine zähe Schicht gibt, die uns davor bewahrt, daß wir vollends in den
Wahnsinn abdriften. Er hielt es, milde ausgedrückt, für exzentrisch, daß
Lanzelot sich durch eine Laune seiner Geliebten ernstlich irremachen ließ – und
er wollte herausfinden, ob sich in der Geschichte der Familie Ban Anzeichen von
geistiger Umnachtung fänden, die man dafür verantwortlich machen konnte. Waren
solche vorhanden, mochten sie sich auf Galahad vererbt haben. Vielleicht mußte
man das Kind ins Hospital St. Mary of Bethlehem schicken (das die Londoner in
späteren Zeiten nur noch »Bedlam« nannten, womit sie schließlich einfach
»Tollhaus« meinten). Als gebe es nicht ohnehin schon Ärger genug. »Bans Vater«,
sagte König Pelles vor sich hin und putzte dabei seine Brillengläser, blies den
Staub von zahlreichen Werken über Heraldik, Genealogie, Magie und mystische
Mathematik, »Bans Vater war König Lanzelot von Benwick, der die Tochter des Königs
von Irland ehelichte. König Lanzelots Vater aber war Jonas, der die Tochter des
Manuel von Gallien heiratete. Und wer war der Vater von Jonas?«
    Wenn
man’s recht bedenkt, besteht durchaus die Möglichkeit, daß Lanzelot einen
gelinden geistigen Defekt hatte. Vielleicht war’s das Zerrbild, das sich dem
Jungen zehn Jahre zuvor in der Wölbung des Eisenhutes gezeigt hatte, als er im
Arsenal von Schloß Benwick den Helm zwischen seinen Händen drehte.
    »Nacien«,
sagte König Pelles. »Dieser vermaledeite Nacien. Es scheint deren zwei gegeben
zu haben.«
    Er
war, über Lisias und Hellias le Grosse und Nacien den Eremiten – von dem
Lanzelot vermutlich seine visionären Anlagen geerbt hatte – , auf einen zweiten
Nacien gestoßen, der, falls er tatsächlich existiert haben sollte, des Königs
Theorie umstoßen würde, wonach Lanzelot ein Verwandter achten Grades von unserm
Herrn und Heiland war. Es hat wirklich den Anschein, als hätten einst fast alle
Eremiten Nacien geheißen.
    »Verwünschter
Kerl«, sagte der König erneut und blickte zum Fenster hinaus, um die Ursache
des Lärms zu ergründen, der sich auf der Straße vor dem Schloß erhoben hatte.
    Ein
Wilder Mann (deren es heute morgen eine ganze Menge zu geben schien) wurde von
den Dörflern durch Corbin gejagt – von denselben Dorfbewohnern, die Lanzelot
einst willkommen geheißen hatten. Er war nackt, dürr wie ein Gerippe, und hielt
die Hände über dem Kopf, um sich vor Schlägen zu schützen. Kleine Jungen liefen
um ihn her und bewarfen ihn mit Torfplacken. Dann und wann hielt er inne und schleuderte
einen der Jungen über die Hecke. Daraufhin bewarfen ihn die Jungen mit Steinen.
König Pelles sah, wie ihm das Blut über die eingesunkenen Wangen rann. Seine
Augen waren verängstigt, und zwischen den Rippen lagen tiefe Schatten. Er lief
aufs Schloß zu.
    Im
Schloßhof hatte sich, als König Pelles Hals über Kopf die Stiege herabgedonnert
kam, eine ansehnliche Menschenmenge voll Staunen und Bewunderung um den Wilden
Mann geschart. Man hatte die Fallgatter herabgelassen, um den Dorfjungen den
Zutritt zu verwehren, und begegnete dem Flüchtling mit Freundlichkeit.
    »Seht
Euch doch seine Wunden an«, sagte einer der Knappen. »Seht nur die große Narbe
dort. Vielleicht war er ein fahrender Ritter, eh’ er übergeschnappt ist. Wir
sollten ihn gut behandeln.«
    Der
Wilde Mann stand inmitten des Ringes, während die Damen kicherten und die Pagen
mit Fingern auf ihn wiesen. Er hielt seinen Kopf gesenkt und stand reglos da,
ohne etwas zu sagen, als warte er ab, was weiter mit ihm geschehen werde.
    »Vielleicht
ist’s Sir Lanzelot.«
    Diese
Bemerkung

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