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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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an. Solange es noch Riesen und Drachen und verruchte Ritter
von der alten Brigade gab, konnten wir sie beschäftigen, konnten wir sie im
Zaume halten. Jetzt aber, da das angestrebte Ziel erreicht ist, gibt es nichts
mehr, wofür sie ihre Macht sinnvoll einsetzen könnten. Also wenden sie sie
gegen Pellinore und Lamorak und meine Schwester an – Gott sei ihnen gnädig. Das
erste Anzeichen des Niedergangs war die Wettkampfmanie unserer Ritterschaft –
dieser ganze Unsinn: wer die beste Tilte-Punktzahl hat, und so weiter. Dies nun
ist das zweite Anzeichen: daß das Morden wieder anhebt. Deshalb sage ich, daß
der gute Merlin mir raten würde, jetzt mit dem Denken ganz von vorne zu
beginnen, wenn er nur hier wäre und mir helfen könnte.«
    »Es
geht also ungefähr darum, daß Trägheit und Luxus uns entmannen – die
Bogensehnen sind schlaff geworden und verstimmt.«
    »Nein,
darum geht es überhaupt nicht. Es geht einfach darum, daß ich mir etwas
vorgemacht habe. Ich hätte die Macht ganz und gar ausrotten müssen, statt sie
in Gebrauch nehmen und nutzen zu wollen. Wenn ich auch nicht weiß, wie man das
Ausrotten hätte bewerkstelligen können. Nun ist die Macht da, ohne eine
Anwendungsmöglichkeit, und so lenkt sie sich selbst in böse Bahnen.«
    »Ihr
solltet das bestrafen«, sagte Lanzelot. »Als Sir Bedivere seine Frau umbrachte,
habt Ihr ihm befohlen, ihren Kopf zum Papst zu tragen. Jetzt solltet Ihr auch
Gawaine zum Papst schicken.«
    Der
König lockerte seinen Griff und blickte zum ersten Male auf. »Ich werde Euch
alle zum Papst schicken«, sagte er. »Was?«
    »Nun,
nicht eigentlich zum Papst. Unsere Schwierigkeiten liegen – nach meiner Ansicht
– einfach darin, daß alle weltlichen Ziele, die wir unserer Macht setzen
können, aufgebraucht sind. Also bleiben uns nur noch geistliche. Ich habe die
ganze Nacht darüber nachgedacht. Wenn ich meine Kämpfer nicht mehr von Untaten
abhalten kann, indem ich sie auf die Welt ansetze – denn sie haben die Welt
aufgebraucht – , dann muß ich sie eben auf den Geist ansetzen.«
    In
Lanzelots Augen kam ein Leuchten, und er sah den König erwartungsvoll an. Im
selben Augenblick zog Ginevra sich in sich selbst zurück. Sie warf ihrem
Liebhaber einen kurzen, verstohlenen Blick zu und widmete ihre Aufmerksamkeit
dann wieder ihrem Gemahl.
    »Wenn
nicht etwas geschieht«, fuhr der König fort, »dann verkommt die ganze Tafel. Es
ist ja nicht nur, daß Fehden und offenes Morden begonnen haben: auch die alte
Unzucht ist wieder da. Denkt an Tristans Affäre mit König Markes Frau. Die
Leute scheinen auf Tristans Seite zu stehen. Die Moral ist ein schwieriges
Thema, Tatsache aber ist nun mal, daß wir ein moralisches Empfinden entwickelt
haben, das nun verkommt, weil wir’s nicht anwenden können. Und wenn moralisches
Empfinden anfängt zu verkommen, dann ist das schlimmer, als wenn es überhaupt
keins gegeben hätte. Ich vermute, daß all unsre Bemühungen, die allein auf ein
rein weltliches Ziel gerichtet sind – wie es meine berühmte Zivilisierung
gewesen ist – , den Keim ihrer eigenen Korruption bereits in sich tragen.«
    »Was
war das – uns zum Papst schicken?«
    »Ich
habe mich metaphorisch ausgedrückt. Was ich damit sagen wollte, ist dies: daß
das Ideal meiner Tafelrunde ein zeitlich-weltliches Ideal war. Wenn wir es
retten wollen, muß es in ein geistliches umgewandelt werden. Ich hatte Gott
vergessen.«
    »Lanzelot«,
sagte die Königin mit sonderbarer Stimme, »hat nie vergessen.«
    Ihr
Liebhaber jedoch war viel zu interessiert, um ihren Tonfall zu bemerken.
    »Was
habt Ihr im Sinn?« fragte er.
    »Ich
habe mir gedacht, wir könnten etwas zu erreichen versuchen, das dem Geist
hilft, wenn Ihr mich versteht. Die körperlichen Dinge haben wir erreicht:
Frieden und Wohlstand. Jetzt fehlt uns Arbeit. Wenn wir eine neue körperliche
Beschäftigung finden, eine zeitliche Beschäftigung – ein bloßes Empire-Erbauen
oder so etwas – , dann werden wir uns demselben, wenn nicht gar einem noch
schwierigeren Problem gegenübersehen, sobald das Ziel erreicht ist. Aber
weshalb können wir nicht unsere Tafel in den Griff bekommen, indem wir ihre
Energien auf den Geist richten? Ihr wißt, was ich mit ›Geist‹ meine. Wenn
unsere Macht in eine Bahn gelenkt würde, so daß sie für Gott arbeitete, statt
für die Rechte des Menschen, dann würde das doch den Verfall verhindern und
sicherlich der Anstrengung wert sein?«
    »Ein
Kreuzzug!« rief Lanzelot aus. »Schickt Ihr

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