Der König auf Camelot
wohl alle anständigen Menschen für Heuchler halten.
Ginevra kam ihnen barbarisch vor.
La
Beale Isoud, die schöne Isolde, so sagten sie, habe auf zivilisierte Art und
Weise aus König Marke einen Hahnrei gemacht. Sie habe es mit Würde getan,
öffentlich, elegant, im besten Geschmack. Jedem sei es möglich gewesen, den
König damit aufzuziehen und den Spaß auszukosten. Sie habe eine Vorliebe für
ausgefallene Kleider und komische Hüte, die ihr das Aussehen einer beschwipsten
Färse gäben. Millionen von Markes Geld habe sie für Pfauenzungen-Menüs
ausgegeben.
Ginevra
dagegen ziehe sich wie eine Zigeunerin an, bewirte wie eine Pensionsmutter und
halte ihren Geliebten geheim. Sie sei ein Ärgernis. Sie habe kein Stilgefühl.
Sie altere ohne Anmut und flenne und mache Szenen wie ein Fischweib. Es hieß,
sie habe Lanzelot nach einem fürchterlichen Streit fortgeschickt, in dessen
Verlauf sie ihn beschuldigt habe, er laufe anderen Frauen nach. Es wurde
behauptet, sie habe geschrien: »Ich seh’ und spür’ es täglich, daß deine Liebe
erlöschet.« Mordred sagte in seinem zweideutigen, musikalischen Tonfall, ein
Fischweib könne er verstehen, aber keine Fischmätresse. Dieses Bonmot wurde
eifrig zitiert.
Arthur,
zurückhaltend und unglücklich in der neuen Atmosphäre, die von ihm wegstrebte,
statt ihm zu folgen, ging in seiner unauffälligen Kleidung durch den Palast und
gab sich Mühe, höflich zu sein. Die Königin, aggressiver – sie war ein kühnes
Mädchen gewesen, wie er sich erinnerte, mit dunklem Haar und roten Lippen, mit
stolz erhobenem Kopf – , sie stellte sich den Gegebenheiten und versuchte, mit
ihnen fertigzuwerden, indem sie Gastmähler gab und sich bemühte, selber modern
zu erscheinen. Sie kehrte zu Bemalung und Putz zurück. Ihr Benehmen ließ
langsam den Verdacht aufkommen, daß sie ein bißchen übergeschnappt sei. Alle
ruhmreichen Regenten haben solche trübe Phasen, während derer die Krone
unpopulär ist.
Plötzlich
gab es Unannehmlichkeiten, als Lanzelot fort war. Das Gefühl von Gefahr, das
seit dem Gral in der Luft gehangen hatte, kristallisierte sich plötzlich bei
einem Gelage, das die Königin gab.
Gawaine
muß ein Freund von Obst gewesen sein. Am liebsten aß er Äpfel und Birnen – und
die arme Königin, die in ihrer neuen Rolle als modische Gastgeberin unbedingt
Erfolg haben wollte, sorgte dafür, daß es bei dem Essen für vierundzwanzig
Ritter, zu denen auch Gawaine gehörte, schöne Äpfel gab. Sie wußte, daß die
Cornwalls und die Orkneys stets eine Bedrohung für die Pläne ihres Gemahls
gebildet hatten – und nun war Gawaine das Oberhaupt des Clans. Sie hoffte, daß
dieses Essen ein Erfolg werden würde; es sollte ihr Hilfe in der neuen
Atmosphäre bringen; es mußte ein äußerst kultiviertes Essen werden. Sie
versuchte, ihre Kritiker dadurch versöhnlich zu stimmen, daß sie sich als eine
ebenso exzellente Gastgeberin erwies wie La Beale Isoud.
Unglücklicherweise
wußten auch andere von Gawaines Vorliebe für Äpfel, und von der Ermordung
Pellinores her gab es noch böses Blut. Arthur war es zwar gelungen, Sir
Aglovale von seiner Rache abzubringen, und die alte Fehde schien vernarbt zu
sein. Doch gab es einen Ritter mit Namen Sir Pinel, einen entfernten Verwandten
der Pellinores, und dieser hielt Rache für erforderlich. Sir Pinel vergiftete
die Äpfel.
Gift
ist eine üble Waffe. In diesem Falle traf’s den Falschen, wie es häufig
vorkommt. Ein irischer Ritter namens Patrick aß den Apfel, der für Gawaine
bestimmt war.
Man
kann sich die Situation vorstellen: die bleichen Ritter, wie sie im
Kerzenschein aufspringen, ihre fruchtlosen Versuche zu helfen, die Blicke, mit
denen einer den anderen voller Scham und Argwohn mustert. Jeder kannte Gawaines
Schwäche. Seine Familie hatte nie ein besonders gutes Verhältnis zu der nunmehr
unpopulären Königin gehabt. Sie selbst hatte das Essen gegeben. Und Pinel war
außerstande, den Vorfall aufzuklären. Irgend jemand in diesem Raum hatte
versehentlich Sir Patrick anstelle von Gawaine ermordet, und bis der Mörder
gefunden war, standen sie alle in diesem furchtbaren Verdacht. Sir Mador de la
Porte – hochtrabender als die ändern, oder böswilliger, oder zänkischer –
brachte schließlich zum Ausdruck, was sie alle dachten. Er beschuldigte die
Königin des Verrats.
Wenn
heutzutage ein Rechtsfall dunkel und schwierig ist, nimmt sich jede Seite einen
Anwalt, oder mehrere, und die machen die Sache unter sich aus. In
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