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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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wenn
Ihr so wollt – einer neuen Liebe opfern… – Und dabei«, sagte er und wandte sich
ab, »ist es gar nicht so, als sehnte ich mich nicht auch nach meiner alten
Liebe.«
    Schweigend
stand er am Fenster und blickte hinaus; seine Hände hingen unnatürlich ruhig
herab. Nach einer Weile fügte er mit heiserer Stimme hinzu, ohne sich
umzudrehen: »Wenn Ihr wollt, können wir von vorn anfangen.«
    Als
er sich vom Fenster abwandte, war der Raum leer. Nach dem Essen bat er, die
Königin sprechen zu dürfen. An der Tür zu ihren Gemächern wurde ihm jedoch die
Nachricht zuteil, daß er, bitte, das tun solle, um was sie ihn gebeten habe. Er
packte seine Siebensachen, ohne recht zu begreifen, was vorgefallen war, doch
mit dem Gefühl, um Haaresbreite einer Katastrophe entronnen zu sein. Er
verabschiedete sich von seinem gebeugten greisen Schildknappen, dessen Alter es
nun wirklich nicht mehr erlaubte, als Begleiter mitzureiten, und verließ
Camelot am nächsten Morgen.
     
     
     
     
     
    KAPITEL 36
     
     
    Wenn die Kammerzofen
von den vermuteten neuerlichen Liebeshändeln der Königin entzückt sein mochten,
so gab es andere am Hofe, die es nicht waren. Oder wenn sie es waren, dann mit
einem hämischen, lauernden Entzücken. Der Ton bei Hofe hatte sich zum vierten
Mal gewandelt. Zuerst hatte ein Gefühl der Zusammengehörigkeit geherrscht, ein
jugendlicher Mannschaftsgeist, mit dem Arthur seinen großen Kreuzzug startete.
Dann war die ritterliche Rivalität aufgekommen, die am größten Hof Europas von
Jahr zu Jahr immer schaler wurde, bis sie fast zur Fehde und zum leeren
Wettbewerb entartete. Der Grals-Enthusiasmus hatte die üblen Gase verbrannt, in
einer Stichflamme von Schönheit. Und nun war die reifste oder die traurigste
Phase gekommen, in der jegliche Begeisterung endgültig verbraucht war und nur
unser berühmter siebenter Sinn noch wirksam werden konnte. Der Hof besaß jetzt
›Welterfahrung‹, ›Weltklugheit‹: er verfügte über die Früchte seiner Taten,
über Zivilisation, savoir-vivre, Klatsch, Mode, Bosheit und die ganze
Palette des Skandals.
    Die
Hälfte der Ritter war getötet worden – die bessere Hälfte. Was Arthur seit
Beginn der Gralsfahrt befürchtet hatte, war eingetroffen. Wer zur Vollkommenheit
gelangt, der stirbt. Galahad konnte von Gott nichts anderes mehr erbitten als
den Tod. Die besten Ritter hatten Vollkommenheit erreicht und den schlimmsten
ihr Erbe überlassen. Ein Sauerteig der Liebe war geblieben, gewiß: Lanzelot,
Gareth, Aglovale und ein paar Tattergreise wie Sir Grummore und Sir Palomides –
der Ton aber wurde anderswo bestimmt. Er kam aus dem bärbeißigen Grimm von
Gawaine, der Scharlatanerie von Mordred und dem Sarkasmus von Agravaine.
    Tristan
hatte in Cornwall auch nichts zu seiner Verbesserung beigetragen. Ein
Zaubermantel hatte die Runde gemacht, den nur eine treue Ehefrau tragen konnte;
oder vielleicht war’s ein Zauberhorn, aus dem nur eine treue Ehefrau trinken
konnte. Ein Schild war mit stimmlosem Kichern als Geschenk dargebracht worden,
ein Schild, dessen Wappen auf Hahnreie anspielte. Eheliche Treue war zur
›Sensation‹ geworden. Die Bekleidung wurde phantastisch. Die langen Spitzen von
Agravaines Schuhen waren mit goldenen Ketten an Strumpfbändern unterhalb der
Knie befestigt, und Mordreds Schuhschnabel-Ketten reichten bis zum Hüftgürtel.
Die Umhänge, ursprünglich dazu bestimmt, die Rüstung zu bedecken, waren nun
hinten lang und vorne kurz. Man konnte kaum in ihnen gehen, ohne über seine
Ärmel zu stolpern. Die Damen waren gezwungen, sich die Stirn zu scheren und
keine Haare zu zeigen, wenn sie modisch sein wollten; in ihre Ärmel aber mußten
sie Knoten machen, damit sie nicht auf dem Boden schleiften. Die Herren
präsentierten ihre Beine in verblüffender Länge. Die Stoffe waren bunt.
Manchmal war ein Bein rot und das andere grün. Und ihren geschlitzten Mantel,
den gaycoat, trugen sie nicht ohne Anmut, mit einer Gebärde des
Überflusses. Mordred trug seine lächerlichen Schuhe voller Geringschätzung: sie
waren eine Satire auf ihn selber. Der Hof war modern.
    So
waren die Augen nun auf Ginevra gerichtet – nicht die Augen des strengen
Argwohns oder der stillschweigenden Duldung, sondern die gelangweilten Blicke
der Berechnung, die kalten Blicke der Gesellschaft. Die geschniegelten Katzen
vor dem Mauseloch verhielten sich still.
    Mordred
und Agravaine hielten Arthur für einen Heuchler: Wer nicht daran glaubt, daß es
Anstand geben kann, muß

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