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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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allmählich zu einem Jahr aufliefen, wurde
das etwas anderes. Vielleicht würde er am Ende doch noch rückfällig werden –
vielleicht. Aber eine Frau konnte zu lange auf den Sieg warten – sie konnte
dann zu alt sein, um ihn zu genießen. Es konnte sinnlos sein, immer weiter auf
eine Freude zu warten, wenn die Freude vor der Tür stand und die Zeit
vorübereilte.
    Ginevra
wurde langsam ärgerlich, was ihrer Schönheit keinen Abbruch tat. Ein Sturm
sammelte sich tief in ihrer Brust, da die Monate der Heiligkeit sich mehrten.
Heiligkeit? Selbstsüchtigkeit, sagte sie sich – es war selbstsüchtig, eine
Seele im Stich zu lassen, nur um die eigene zu retten. Die Geschichte von Bors,
der es zugelassen hatte, daß die zwölf vermeintlichen Edelfrauen vom Burgturm
gestürzt wurden, weil er die Todsünde nicht begehen wollte, durch die er sie
hätte retten können, hatte sie zutiefst erschüttert. Jetzt tat Lanzelot das
gleiche. Für ihn, mit seinem Rittertum und seinem Mystizismus und all den
Kompensationen der Männerwelt, war es ja gut und schön, den großen Entsager zu
mimen. Aber zur Entsagung gehörten zwei, wie zur Liebe oder zum Streit zwei
gehören. Sie war kein gefühlloses Besitzstück, das er je nach Lust und Laune
aufnehmen oder hinlegen mochte. Man konnte doch ein menschliches Herz nicht
aufgeben, wie man das Trinken aufgibt. Das Trinken war jedermanns höchsteigene
Sache, und die konnte man aufgeben; die Seele der Geliebten aber war kein
persönliches Eigentum: mit ihr konnte man nicht nach Belieben verfahren; ihr
gegenüber hatte man Pflichten.
    Lanzelot
sah diese Dinge ebenso klar wie die kühne Ginevra – und als sich ihre
Beziehungen allmählich verschlechterten, hatte er alle Mühe, bei Verstand zu
bleiben. Es war für ihn das gleiche Problem wie damals für Bors, als der
unbewaffnete Eremit sich einmischte. Was ihn selber betraf, so hatte er jedes
Recht, sich dem Gott zu unterwerfen, den er liebte, wie Bors sich Lionel
unterworfen hatte. Wenn aber Ginevra sich über ihn warf, wie der Eremit sich
über Bors geworfen hatte – hatte er dann das Recht, seine alte Liebe zu opfern,
wie der Eremit geopfert worden war? Lanzelot war, wie die Königin, von der
Lösung schockiert, die Bors gewählt hatte. Die Herzen dieser beiden Liebenden
waren instinktiv zu großmütig, um in ein Dogma zu passen. Großmut ist die achte
Todsünde.
    Zur
Krise kam es eines Morgens, während sie allein auf dem Söller sangen. Zwischen
ihnen auf dem Tisch stand ein Musikinstrument, eine kleine tragbare Orgel, die
man Regal nannte. Sie sah aus wie zwei große Bibeln. Ginevra hatte ein kleines
Liedchen gesungen, ›French Mary‹, und Lanzelot gab sich mit dem ›Buckligen von
Arras‹ redliche Mühe – da legte die Königin ihre rechte Hand auf alle Tasten,
die sie greifen konnte, und drückte beide Bibeln mit ihrer Linken. Das Regal
stieß ein schreckliches Hohngelächter aus und verendete.
    »Warum
habt Ihr das getan?«
    »Es
wäre besser, wenn Ihr ginget«, sagte sie. »Geht fort. Fangt eine Queste an.
Seht Ihr denn nicht, daß Ihr mich zermürbt?«
    Lanzelot
holte tief Luft und sagte: »Ja, ich sehe es, Tag für Tag.«
    »Dann
war’s besser, wenn Ihr ginget. Nein, ich mache keine Szene. Ich will keinen
Streit, und ich verlange keinen Sinneswandel von Euch. Aber ich glaube, es wäre
ein Entgegenkommen von Euch, wenn Ihr gehen wolltet.«
    »Das
klingt ja, als würde ich Euch mit Vorbedacht wehtun.«
    »Nein.
Es ist nicht Eure Schuld. Aber ich möcht’ halt gern, daß Ihr geht, Lanz, damit
ich ein wenig zur Ruhe komme. Für eine kleine Weile. Wir brauchten uns deswegen
nicht zu zürnen.«
    »Wenn
Ihr möchtet, daß ich gehe, dann gehe ich natürlich.«
    »Ich
möchte es.«
    »Vielleicht
war’s besser.«
    »Lanz,
Ihr müßt wissen, daß ich nicht versuche, Euch mit List in irgend etwas
hineinzulocken oder zu zwingen. Es geht nur darum, daß ich meine, es täte uns
gut, wenn wir für ein oder zwei Monate getrennt wären, als Freunde. Nur darum geht
es.«
    »Ich
weiß, daß Ihr niemals versuchen würdet, mich zu überlisten, Jenny. Ich selber
fühle mich ja auch völlig durcheinander. Ich hatte gehofft, Ihr würdet’s
verstehn. Das, was mir widerfahren ist. Es war’ einfach gewesen, wenn Ihr
ebenfalls auf dem Boot gewesen wärt oder es selber gespürt hättet. Aber ich
kann’s Euch nicht empfinden lassen, weil Ihr nicht dort wart, und so ist’s
schwierig für mich. Ich habe das Gefühl, als würde ich Euch – oder uns,

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