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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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nicht
aufgegeben, weil er befürchtete, von einer Art Holy Bogy, einem
Schwarzen Mann im Himmel, bestraft zu werden, sondern weil er sich zwei
Personen gegenübergestellt sah, die er liebte. Die eine war Arthurs Königin,
die andere eine wortlose Erscheinung, die auf Castle Carbonek die Messe
zelebriert hatte. Unglücklicherweise waren die beiden Objekte seiner Zuneigung
unvereinbar, wie dies in Liebesgeschichten so oft der Fall ist. Fast war es,
als sei er vor die Wahl zwischen Jane und Janet gestellt worden – und als sei
er zu Janet gegangen, nicht, weil er befürchtete, daß sie ihn strafen werde,
wenn er bei Jane bliebe, sondern weil er voller Wärme und Mitleid fühlte, daß
er sie mehr liebte. Möglicherweise hatte er auch das Gefühl, daß Gott ihn
dringender brauche als Ginevra. Dies war das Problem – mehr ein emotionales
denn ein moralisches – , das ihn bewegen hatte, sich in seine Abtei
zurückzuziehen, wo er zu einer Klärung hatte kommen wollen.
    Es
wäre jedoch auch nicht ganz richtig, wenn man behaupten wollte, gewisse Motive
der Großmut hätten bei seiner Rückkehr keine Rolle gespielt. Er war ein
großmütiger Mensch. Er war ein maestro. Mochte Gott seiner in normalen
Zeiten dringender bedürfen, so war es nun doch offenkundig, daß seine erste
Liebe ihn im Moment am dringendsten brauchte. Vielleicht hat ein Mann, der
Janets wegen Jane verläßt, genug Wärme übrigbehalten, um zu Jane
zurückzukehren, wenn sie seiner verzweifelt bedarf; und diese Wärme könnte man
mit Großmut, Mitleid oder Freizügigkeit in Beziehung bringen – wäre es nicht
unmodern und sogar ein bißchen unanständig, heutzutage an derlei
Gefühlsregungen zu glauben. Lanzelot jedenfalls, der mit seiner Liebe zu
Ginevra wie auch mit seiner Liebe zu Gott rang, kehrte unverzüglich zu ihr
zurück, sobald er hörte, daß sie in Schwierigkeiten war; und als er sah, wie
sie, in beschämender Haft, ihn mit strahlendem Gesicht erwartete, da pochte
sein Herz im Panzerhemd plötzlich so heftig – vor Liebe oder Mitleid. Nennt’s,
wie ihr wollt.
    Auch
Sir Mador de la Porte klopfte das Herz – aber für einen Rückzug war’s nun zu
spät. Sein Gesicht hinterm Visier, wo niemand es sehen konnte, wurde purpurrot,
und er verspürte ein Glühen unter dem Strohpolster auf seinem Schädel. Dann
ritt er in seine Ecke zurück und gab seinem Gaul die Sporen.
    Es
ist reizvoll zu sehen, wie eine zerbrochene Lanze in die Lüfte segelt. Unter
ihr, auf der Erde, herrscht geschäftiges Treiben. Die geruhsame Bewegung, mit
der die Lanze aufsteigt, sich stumm und träge drehend, bildet einen hübschen
Kontrast. Sie scheint allen irdischen Überlegungen enthoben, und man glaubt,
sie würde sich gar nicht schnell bewegen. Die schnelle Bewegung – in diesem
Falle war’s Sir Mador, der Hals über Kopf vom Pferde flog – spielt sich
unterhalb der Lanze ab, die ihre eigene, unabhängige Pirouette in graziöser
Losgelöstheit dreht und irgendwo herunterkommt, wenn sie von allen vergessen
ist. Sir Madors Lanze kam, mit der Spitze voraus, dank einer ballistischen Laune
just hinter dem Ordnungshüter herab, der den schwarzen Mops hielt. Als er sich
später umdrehte und sie senkrecht hinter sich stehen sah, ihm gleichsam über
die Schulter spähend, machte er vor Schreck einen Hopser.
    Sir
Lanzelot stieg ab, um nicht den Vorteil auszunutzen, den er als Mann zu Pferd
hatte. Sir Mador erhob sich und ging mit wilden Schwerthieben auf seinen Gegner
los. Er war wütend.
    Es
bedurfte zweier Niederschläge, um Sir Mador zu erledigen. Als er das erste Mal
am Boden lag und Lanzelot auf ihn zuging, um seine Unterwerfung
entgegenzunehmen, da wurde er nervös und stieß von unten gegen den Stehenden.
Es war ein hinterhältiger Streich, denn er ging von unten in die Leiste, eine
Stelle, an der die Rüstung naturgemäß am schwächsten sein mußte. Als Lanzelot
zurückgetreten war, um Mador aufstehen zu lassen, falls er weiterkämpfen
wollte, sah man das Blut an seinen Beinschienen herablaufen. Es war furchtbar
mitanzusehen, wie ruhig, wie geduldig er zurückging, obwohl er übel in den
Schenkel gestochen worden war. Es wäre leichter zu ertragen gewesen, wenn er
die Beherrschung verloren hätte.
    Das
zweite Mal schlug der Ritter der Königin Sir Mador härter nieder. Dann riß er
seinen Helm ab.
    »Nun
wohl«, sagte Sir Mador. »Ich gebe auf. Ich habe mich geirrt. Laßt mir mein
Leben.«
    Lanzelot
tat etwas Feines. Den meisten Rittern hätte es genügt, für die

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