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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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verbiß sich ineinander oder wollte nicht durch die Tore. Junge
Burschen kamen mit Eimern gerannt und füllten fieberhaft die großen Tröge – es
war eine dieser praktischen Burgen irischen Stils, die nicht innerhalb der
eigenen Mauern einen Brunnen hatten. Mägde liefen halbhysterisch umher – denn
Sir Meliagrance war, wie bei Menschen der zweiten Garnitur kaum anders zu
erwarten, fest entschlossen, seine gefangene Königin auf eine Art und Weise zu
empfangen, die über jede Kritik erhaben ist. Man richtete Boudoirs für sie her,
man nahm die Tapisserien aus seinem Junggesellen-Schlafgemach, um sie in dem
ihren anzubringen, man putzte und polierte und ließ vom nächsten Nachbarn
güldnes Geschirr ausleihen. Ginevra war unterdessen in einen kleinen Wartesaal
geführt worden, um dort auszuharren, bis die Staatsgemächer fertig sein würden,
und sie vergrößerte die allgemeine Verwirrung dadurch, daß sie für ihre
verwundeten Krieger Verbände und heißes Wasser und Liegen forderte. Sir
Meliagrance lief treppauf und treppab und rief: »Ja doch, Ma’am, gleich!« und:
»Marian, Marian, wo habt Ihr’n die Kerzen gelassen, Teufel-noch-eins?« und: »Murdoch,
jagt mir augenblicklich die Schafe vom Söller!« Und in all diesem Trubel fand
er noch die Zeit, seine Stirn an den kalten Stein einer Fensterleibung zu
legen, um seiner Verwirrung Herr zu werden, seine Torheit zu verwünschen und
seine ohnehin durcheinandergeratenen Pläne noch weiter zu verwirren.
    Die
Königin kam als erste mit ihren Angelegenheiten zurecht. Sie hatte nur das
Bandagieren zu überwachen, und ihre Wünsche wurden natürlich vorrangig erfüllt.
Sie saß mit ihren Zofen an einem der Burgfenster – gleichsam die ruhige Mitte
des Wirbelsturms – , als eine der Frauen rief, daß etwas die Straße herabkomme.
    »Es
ist ein Karren«, sagte die Königin. »Er wird Proviant bringen.«
    »Ein
Ritter ist auf dem Karren«, sagte die Zofe, »ein Ritter in Rüstung. Wahrscheinlich
bringt ihn jemand fort, weil er aufgehängt werden soll.« In jenen Tagen galt es
als schimpflich, auf einem Karren zu fahren. Später sahen sie, daß hinter dem
Karren ein Pferd galoppierte, dessen Zügel im Sande schleiften. Und noch etwas
später sahen sie mit Entsetzen, daß auch die Eingeweide des Pferdes im Sande
schleiften. Das Roß war mit Pfeilen gespickt wie ein Stachelschwein, und wirkte
dabei sonderbar unbeteiligt. Vielleicht war es vom Schock betäubt. Es war
Lanzelots Pferd, und Lanzelot war auf dem Karren und schlug mit seiner
Säbelscheide auf den Karrengaul ein. Er war, wie geplant, in den Hinterhalt
geraten und hatte eine Zeitlang versucht, an seine Angreifer heranzukommen. Die
aber konnten dem schweren Eisenmann, der abgestiegen war, leicht entkommen,
indem sie über Hecken und Gräben sprangen. Da machte er sich auf, um den Rest
des Weges zu Fuß zurückzulegen, trotz seiner Rüstung. Meliagrance hatte die
Unmöglichkeit eines solchen Fußmarsches einkalkuliert: wog doch die Ausrüstung
ungefähr noch einmal soviel wie der Mann. Womit er jedoch nicht gerechnet
hatte, das war der von Lanzelot requirierte Karren. Wie sehr der große Mann um
die Königin besorgt war, läßt sich daraus ersehen, daß er zu Beginn des Ritts
auf seinem Pferd durch die Themse geschwommen sein soll, von Westminster Bridge
bis nach Lambeth, trotz der Tatsache, daß seine Rüstung ihn unweigerlich in die
Tiefe gerissen hätte, wenn etwas schiefgegangen wäre.
    »Wie
könnt Ihr’s wagen, zu sagen, daß es ein Ritter ist, der aufgehängt werden
soll?« rief die Königin. »Ihr seid ein liederliches Frauenzimmer. Wie könnt Ihr
Sir Lanzelot mit einem Verbrecher vergleichen?«
    Die
unglückliche Zofe errötete und schwieg, während sie sahen, wie Lanzelot dem
verängstigten Fuhrmann die Zügel zuwarf und die Zugbrücke heraufstürmte, wobei
er aus Leibeskräften brüllte.
    Sir
Meliagrance hörte von der Ankunft in dem Augenblick, da Lanzelot durchs Große
Tor stürmte. Ein nervöser, überraschter Pförtner versuchte, es ihm vor der Nase
zuzuschlagen, bekam jedoch einen Hieb mit der Eisenfaust, der ihn
niederstreckte. Das Tor ging auf. Keine Gegenwehr. Lanzelot befand sich, was
selten vorkam, in wilder Erregung, vielleicht wegen der Leiden seines Pferdes.
    Meliagrance,
der gerade ein paar Reisige beaufsichtigte, welche die Holzschuppen im Großen
Hof abrissen (eine Verteidigungsmaßnahme gegen Brandfackeln), verlor die
Nerven. Er rannte zur Hintertreppe und kniete bereits zu Füßen der

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