Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
Fenster sah, die neugierige Nase vor den Sternen,
da hielt sie es nicht für einen Wasserspeier oder einen Dämon. Ein paar
Atemzüge lang stand sie da und spürte ein Klopfen im Hals; dann ging sie stumm
ans Fenster: das Schweigen einer Komplicin. Niemand weiß, was sie miteinander
sprachen. Malory meint, »sie führten gegenseitig Klage über mancherlei Dinge«.
Wahrscheinlich kamen sie überein, daß es unmöglich sei, Arthur zu lieben und
ihn gleichzeitig zu betrügen. Wahrscheinlich machte er ihr endlich klar, was es
mit seinem Gott auf sich habe, und sie ihm, wie sehr ihr Kinder fehlten.
Wahrscheinlich kamen sie überein, daß ihre sündige Liebe beendet sein müsse.
    Später
flüsterte Sir Lanzelot: »Ich wünscht’, ich dürft’ hereinkommen.«
    »Mir
war’ es recht.«
    »Wünscht
Ihr aus ganzem Herzen, Madam, daß ich bei Euch wäre?«
    »Wahrhaftig.«
    Als
er die letzte Eisenstange herausbrach, durchschnitt er sich die Sehne der Hand
bis auf den Knochen.
    Eine
Weile später verstummte das Geflüster, und es herrschte Stille in der
Dunkelheit der Kammer.
    Königin
Ginevra blieb am nächsten Morgen lang im Bett. Sir Meliagrance, der die ganze
Angelegenheit so schnell wie möglich bereinigt sehen wollte, fuhrwerkte im
Vorzimmer umher und wünschte, sie wäre schon fort. Teils auch, weil ihm daran
lag, die Qual zu verkürzen, daß er die Königin, die er liebte, unter seinem
Dach beherbergte – und doch nicht haben konnte.
    Schließlich
ging er – um sie zur Eile zu mahnen, wohl aber auch mit der unbezähmbaren
Neugier des Liebenden – in die Schlafkammer, um sie zu wecken. Ein Vorgang, der
in den Tagen des Lever möglich war.
    »Barmherzigkeit«,
sagte Sir Meliagrance, »was fehlt Euch, Ma’am, daß Ihr so lange schlaft?«
    Er
blickte auf seine verlorene Schöne im Bett und tat, als sähe er nicht hin. Die
Laken waren mit dem Blut von Lanzelots Hand beschmiert.
    »Verräterin!«
rief Sir Meliagrance plötzlich. »Verräterin! Ihr habt Verrat an König Arthur
verübt!«
    Er
war außer sich vor Wut und Eifersucht und hielt sich für betrogen. Da sein
eigenes Unternehmen fehlgeschlagen war, hatte er angenommen, daß die Königin
eine reine Frau sei und daß er, indem es ihn nach ihr gelüstete, gefehlt habe.
Nun sah er, daß sie ihn die ganze Zeit hintergangen hatte; sie hatte
vorgegeben, zu tugendhaft zu sein, um ihn zu lieben, und dabei hatte sie’s vor
seiner Nase mit ihren verwundeten Rittern getrieben. Er war voreilig zu dem
Schluß gekommen, daß das Blut von einem der Blessierten stammen müsse – weshalb
sonst hatte sie darauf bestanden, sie im Vorzimmer zu haben? In seinen Zorn
mischte sich der wildeste Neid. Die Gitterstäbe des Fensters sah er nicht: sie
waren so sorgfältig wie möglich wieder angebracht.
    »Verräterin!
Verräterin! Ich klage Euch des Hochverrats an!«
    Auf
Sir Meliagrances Schreien hin kamen die verwundeten Ritter zur Tür gehumpelt.
Der Tumult breitete sich aus: Kammerzofen, Mägde, Pagen, Knappen, einige
Reitburschen – alle kamen aufgeregt an den Ort des Geschehens geeilt.
    »Die
sind alle treulos«, rief Sir Meliagrance, »alle oder einige. Ein verwundeter
Ritter ist hiergewesen.«
    Ginevra
sagte: »Das ist nicht wahr. Sie können es beweisen.«
    »Eine
Lüge ist es!« riefen die Ritter. »Wählt einen von uns aus, mit dem Ihr kämpfen
wollt. Wir werden mit Euch kämpfen.«
    »Das
werdet Ihr nicht!« schrie Sir Meliagrance. »Hinweg mit Euerm hochtrabenden
Gerede. Ein verwundeter Ritter hat mit Ihrer Majestät geschlafen!«
    Und
er zeigte weiter auf das Blut als den stichhaltigen Beweis, bis Sir Lanzelot
bei der mittlerweile dümmlich dreinblickenden Leibwache auftauchte. Niemand
merkte, daß er einen Handschuh trug.
    »Was
geht vor?« fragte Lanzelot.
    Meliagrance
erzählte es ihm, wild gestikulierend. Dankbar ergriff er die Gelegenheit, alles
von neuem erzählen zu können. Es war, als wäre er vor Kummer übergeschnappt.
    Lanzelot
sagte kühl: »Darf ich Euch an Euer eigenes Verhalten der Königin gegenüber
erinnern?«
    »Ich
weiß nicht, was Ihr meint. Was soll’s? Ich weiß nur, daß ein Ritter die Nacht
in diesem Raum gewesen ist.«
    »Gebt
acht auf Eure Worte.«
    Lanzelot
sah ihn scharf an; er wollte ihn warnen und wieder zu sich bringen. Beide
wußten sie, daß diese Anschuldigung eine Entscheidung durch Kampf zur Folge
hatte, und Lanzelot wollte ihn dahin bringen, daß er begriff, mit wem er zu
kämpfen haben würde. Sir Meliagrance machte sich dies

Weitere Kostenlose Bücher