Der König auf Camelot
und Hagedornblüten und
ergrünenden Zweigen, die man an einem solchen Morgen zu pflücken pflegte. Ihre
Leibwache hatte sie zurückgelassen – die Ritter der Königin, die alle ein
heraldisches Amtszeichen trugen – und hatte nur zehn Ritter in Zivilkleidung
mitgenommen. Die waren grün gewandet, zur Feier des Frühlings. Agravaine
gehörte zu ihnen – er hatte sich Ginevra seit kurzem attachiert, um sie zu
beobachten – , und Lanzelot war absichtlich ausgelassen worden.
Nun,
sie waren alle fröhlich heimgeritten, plaudernd, mit Blumen und Zweigen
beladen, da hatte Sir Meliagrance sie aus einem Hinterhalt überfallen. Die
Sache mit der ›ersten Garnitur‹ hatte solange an ihm genagt, bis er sich
entschloß, nun wirklich und wahrhaftig unfein zu werden, wenn ihn nun schon
jeder der Barbarei beschuldigte. Er hatte gewußt, daß die Begleitung der
Königin unbewaffnet war und daß Lanzelot nicht dabei war. Er hatte eine starke
Mannschaft von Bogenschützen und Reisigen mitgebracht, um sie gefangenzunehmen.
Es
hatte einen Kampf gegeben. Die Ritter in Zivil hatten sie nach besten Kräften
verteidigt, mit Schwertern und Krummdolchen, bis sie allesamt verwundet waren,
sechs von ihnen schwer. Dann hatte Ginevra sich ergeben, um ihnen das Leben zu
retten. Sie hatte ein Abkommen mit Sir Meliagrance geschlossen – der sich in
seiner Schurkenrolle gar nicht so wohlfühlte – , in dem Sinne, daß er, wenn sie
ihre Verteidiger zurückrufe, dafür garantiere, die verwundeten Ritter mit ihr
zusammen auf seine Burg zu bringen, wo sie im Vorraum ihres Gemachs schlafen
dürften. Meliagrance, der Ginevra liebte, seine eigene halbherzige Verruchtheit
nicht mehr wahrhaben wollte und wohl wußte, daß es hoffnungslos war, sich die
Geliebte gegen ihren Willen zu eigen zu machen – nun, er hatte den Bedingungen
zugestimmt. Der arme Kerl war halt nicht zum Buschklepper geboren.
In
der Verwirrung, die es gab, bis die traurige Prozession der verwundeten, quer
über ihre Pferde gebundenen Männer in Gang gebracht war, behielt die Königin
einen kühlen Kopf. Sie winkte den kleinen Pagen herbei, der ein frisches und
schnelles Pony hatte, und gab ihm insgeheim ihren Ring und eine Botschaft an
Lanzelot. Flüsternd bat sie den Knaben, davonzugaloppieren, falls er eine
Chance sähe. Und das hatte er getan, verfolgt von den Bogenschützen. Hier war
der Ring, Lanzelot rief schon vor Ende des Berichts lauthals nach seiner
Rüstung. Zeitgenössischen Überlieferungen zufolge soll Arthur vor ihm
niedergekniet sein, um ihm die Beinschienen anzulegen.
KAPITEL 42
A1s die berittenen
Bogenschützen niedergeschlagen zurückkehrten und berichteten, daß es ihnen
nicht gelungen sei, den Jungen niederzustrecken, da wußte Sir Meliagrance, was
er zu erwarten hatte. Ihm war gar nicht wohl in seiner Haut, nicht nur, weil er
wußte, daß er unklug und hinterhältig gehandelt hatte, sondern auch, weil er
die Königin wirklich liebte. Doch in ihm steckte noch etwas Mumm; er sah ein,
daß er zu weit gegangen war, um noch umkehren zu können. Lanzelot würde auf die
Kunde hin todsicher herbeikommen. Man mußte Zeit gewinnen. Die Burg war auf
eine Belagerung nicht vorbereitet – könnte man sie aber dafür in Eile
herrichten, so bestünde gute Aussicht, mit den Belagerern einen Kompromiß zu
schließen, da ja immerhin die Königin sich als Pfand in seinem Gewahrsam
befand. Sir Lanzelot mußte unter allen Umständen aufgehalten werden, bis die
Burg in Verteidigungsbereitschaft gebracht war. Meliagrance vermutete richtig,
daß Lanzelot Hals über Kopf der Königin zu Hilfe eilen werde, sobald er nur in
seiner Rüstung steckte. Die beste Möglichkeit, ihn aufzuhalten, war ein
weiterer Hinterhalt, und zwar bei einer schmalen Waldblöße, durch die er reiten
mußte. Diese Lichtung war so eng, daß die Bogenschützen gewiß sein Pferd würden
töten können, ja, vielleicht gelang es ihnen sogar, seine Rüstung zu
durchbohren. Seit den troubled times, den Unsicheren Jahren, waren alle
Straßen zu beiden Seiten auf Bogenschußweite frei von Gestrüpp, aber diese
Lichtung hatte man wegen besonderer Geländegegebenheiten übersehen. Und
Meliagrance wußte, daß ein wohlgezielter, aus geringer Entfernung
abgeschossener Pfeil die beste Rüstung durchschlagen konnte.
Also
wurde der Hinterhalt eiligst gelegt und die Burg in Verteidigungsbereitschaft
gesetzt. Hirten trieben das Vieh in den Hof – und alles Viehzeug drängte
auseinander oder
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