Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
war. Als der König den Thron bestiegen hatte, war’s ein
England gepanzerter Barone gewesen, des Hungers und des Krieges. Es war das
Land der Gottesurteile mittels glühender Eisen gewesen, des Law of Englishry und der traurigen, wortlosen Gesänge von Morfa-Rhuddlan. An der Küste, in
Reichweite fremder Schiffe, hatte es kein Tier mehr gegeben, keinen Obstbaum.
In den Mooren und weiten Wäldern hatten sich die letzten Saxen gegen das harte
Regiment von Uther dem Eroberer verteidigt; die Wörter ›Normanne‹ und ›Baron‹
entsprachen dem modernen ›Sahib‹; das Haupt von Llewellyn ap Griffith, unter
der Efeu-Krone, war auf den gebündelten Stacheln des Tower vermodert. Damals
wäre man Bettlern am Straßenrand begegnet, verstümmelten Männern, die ihre
rechte Hand in der Linken trugen; und an ihrer Seite wären ›Waldhunde‹
getrottet, gleichfalls verstümmelt, denn man hatte ihnen einen Zeh
abgeschnitten, damit sie in den Forsten des gnädigen Herrn nicht mehr wildern
konnten. Als Arthur kam, verbarrikadierten sich die Leute auf dem Lande des Nachts
noch in ihren Katen, als gälte es, einer Belagerung zu widerstehen, und sie
baten Gott um Frieden in den Stunden der Dunkelheit; der Hausvater wiederholte
die Gebete, die auf See gesprochen werden, wenn ein Sturm heranzieht, und er
endete mit der Bitte: »Der Herr segne und behüte uns«, worauf alle Anwesenden
mit »Amen« antworteten. Auf den Burgen der Barone wurden in jenen frühen Jahren
arme Menschen ausgeweidet – die Innereien verbrannte man vor ihren Augen –: man
hatte sie aufgeschlitzt, um nachzusehen, ob sie ihr Gold verschluckt hätten.
Menschen wurden da mit scharfkantigen Eisenbrocken geknebelt; Menschen hingen
da mit dem Kopf nach unten im Rauch; Menschen lagen da in Schlangengruben oder
hatten lederne ›Aderpressen‹ um den Kopf oder wurden in Kisten gequetscht, die
voller Steine waren, so daß ihnen die Knochen brachen. Man braucht sich nur der
Literatur jener Periode zuzuwenden, den Geschichten von den mythischen Familien
jener Zeit, den Plantagenets, den Capets und so weiter, um zu sehen, wie es um
das Land bestellt war. Legendäre Könige wie John waren esgewohnt,
achtundzwanzig Geiseln vor dem Essen aufzuhängen; sie wurden, wie Philipp, von sergeants-at-mace verteidigt, einer Art Schutzstaffel, die den hohen Herrn mit Streitkolben
bewachte; sie enthaupteten, wie Louis, ihre Feinde auf dem Schafott und zwangen
deren Kinder, unter dem Gerüst zu stehen, so daß das Blut auf sie herabströmte.
So jedenfalls hat’s Ingulf von Croyland erzählt, bis man’s als Fälschung
entlarvte. Auch hatte es damals Erzbischöfe gegeben, die als Leuteschinder
berüchtigt waren; Kirchen, die man als Festungen benutzte – mit Wehrgräben auf
dem Friedhof, zwischen den Gebeinen; Preislisten gab’s für die Bestrafung von
Mördern; die Leichen der Exkommunizierten blieben unbeerdigt; hungernde Bauern
aßen Gras oder Baumrinde oder fraßen sich gegenseitig. (Einer brachte es auf
achtundvierzig.) Hier wurden Ketzer verbrannt – an einem Tage waren’s
fünfundvierzig Templer – , und dort schleuderte man die Köpfe von Gefangenen
mittels Katapulten in belagerte Burgen. Ein Anführer rebellischer Bauern
krümmte sich in seinen Ketten, da er mit einem rotglühenden Dreifuß gekrönt
wurde. Ein Papst beklagte sich, da man ihn gefangennahm, um Lösegeld zu erpressen;
ein anderer wand sich, weil man ihn vergiftet hatte. Schätze wurden in Form von
Goldbarren in Burgmauern einzementiert und die Arbeiter hinterher exekutiert.
Gassenkinder in Paris trieben ihren Scherz mit der Leiche eines Konstablers;
andere Kinder starben, zusammen mit Frauen und Greisen, vor den Mauern
belagerter Städte – aber innerhalb des Belagerungsringes. Hus und Jerome, die
Mitren der Abtrünnigkeit auf dem Haupte, schmorten und schmurgelten auf dem
Scheiterhaufen. Die Schwachsinnigen von Jumiéges waren mit durchschnittenen Flechsen die Seine hinabgetrieben. Auf der
Burg von Giles de Retz entdeckte man nicht weniger als eine Tonne von
kalziniertem Kindergebein, nachdem er die Kleinen, zwanzig Dutzend pro Jahr,
ermordet hatte. Der Duc de Berry verlor ein Königreich infolge der
Unpopularität, die ihm sein Mitleid mit achthundert im Kampf getöteten
Fußsoldaten eingetragen hatte. Den jungen Grafen von St. Pol hatte man in die
Kriegskünste eingeführt, indem man ihm vierundzwanzig lebende Gefangene
überließ, die er zu Übungszwecken auf verschiedene Arten massakrieren

Weitere Kostenlose Bücher