Der König auf Camelot
Kopf an sich und küßte ihn
auf die Stirn – den treuen alten Kerl, ihren freundlichen Bären.
Lanzelot stand auf. »Vielleicht sollt’ ich
mich verziehn.«
»Geht nicht, Lanz. Es ist so nett, Euch
für ein Weilchen bei uns zu haben. Kommt, setzt Euch ans Feuer und singt uns
ein Lied. Bald werden wir ohne Kamin auskommen können.«
»Ja, wirklich«, sagte Ginevra. »Stellt
Euch vor: bald wird es Sommer.«
»Trotzdem ist’s nett, am Feuer zu sitzen –
zu Haus.«
»Für Euch ist’s nett – bei Euch zu Haus«,
sagte Lanzelot mit seltsamer Betonung.
»Wie meint Ihr das?«
»Ich habe kein Zuhause.«
»Keine Bange, Lanz, Ihr werdet’s haben.
Wartet, bis Ihr so alt seid wie ich; dann könnt Ihr Euch darüber Sorgen
machen.«
»Läuft Euch etwa«, sagte die Königin,
»nicht jede Frau, der Ihr begegnet, meilenweit nach?«
»Mit einer Axt«, ergänzte Arthur, »um Euch
zur Strecke zu bringen.«
»In Wirklichkeit macht nur jede zweite
einen Antrag.«
»Und dann klagt Ihr, weil Ihr kein Zuhause
habt.«
Lanzelot lachte. Der letzte Rest von
Spannung schien beseitigt.
»Würdet Ihr«, fragte er, »eine Frau
heiraten, die mit der Axt hinter Euch herrennt?«
Der König überlegte sich die Sache
ernsthaft, ehe er Antwort gab.
»Ich könnt’s nicht tun«, sagte er
schließlich, »weil ich bereits verheiratet bin.«
»Mit Gin«, sagte Lanzelot.
Es war sonderbar. Sie hatten anscheinend
begonnen, auf eine Weise zu reden, die etwas anderes meinte, als das, was die
Wörter besagten. Es war, als ob Ameisen sich mit ihren Fühlern unterhielten.
»Mit Königin Ginevra«, sagte der König
korrigierend.
»Oder Jenny?« meinte die Königin.
»Ja«, stimmte er zu, doch erst nach einer
langen Pause. »Oder Jenny.«
Schweigen entstand, bis Lanzelot sich zum
zweiten Mal erhob.
»Nun, ich muß gehn.«
Arthur legte eine Hand auf seinen Arm.
»Nein, Lanz, bleibt noch einen Augenblick.
Ich möchte Ginevra heute abend etwas erzählen, und mir war’s lieb, wenn Ihr’s
Euch auch anhörtet. Wir sind seit so langer Zeit zusammen. Ich möchte eine alte
Geschichte bereinigen, die Euch beide angeht; Ihr gehört ja zur Familie.«
Lanzelot setzte sich.
»So ist’s recht. Nun gebt mir Eure Hände,
Ihr beiden, und ich werde mich zwischen Euch setzen. So. Seht Ihr? Meine
Königin und mein Lanz. Keiner von Euch sollte mich schelten, wenn ich Euch nun
etwas erzähle.«
Lanzelot sagte bitter: »Wir haben
keinerlei Recht, irgend jemanden zu schelten, König.«
»Nein? – Nun, ich weiß nicht, was Ihr
damit meint, aber ich möchte Euch erzählen, was ich tat, als ich jung war. Es
geschah, ehe ich mich mit Gin verheiratete, und lange bevor Ihr zum Ritter
geschlagen wurdet. Habt Ihr etwas dagegen?«
»Natürlich haben wir nichts dagegen,
wenn’s Euer Wunsch ist.«
»Aber wir glauben nicht, daß Ihr etwas
Falsches getan habt.«
»Eigentlich fing es an, ehe ich geboren
wurde, denn mein Vater verliebte sich in die Gräfin von Cornwall und tötete den
Grafen, um sie zu bekommen. Sie war meine Mutter. Diesen Teil der Geschichte
kennt Ihr.«
»Ja.«
»Vielleicht habt Ihr nicht gewußt, daß ich
zu einem recht unglücklichen Zeitpunkt zur Welt kam. Nämlich zu früh nach der
Heirat meines Vaters und meiner Mutter. Deshalb hat man meine Existenz
geheimgehalten, mich im Wickelkissen verschickt und Sir Ector dazu bestimmt,
mich aufzuziehen. Merlin war’s, der mich zu ihm gebracht hat.«
»Und dann«, sagte Lanzelot fröhlich,
»wurdet Ihr an den Hof zurückgebracht, als Euer Vater starb, und habt ein
Zauberschwert aus einem Stein gezogen, was bewies, daß Ihr der rechtmäßige
König von England wart, und da Ihr nicht gestorben seid, lebt Ihr noch heute in
Herrlichkeit und Freude. Ich find’ das gar keine so üble Geschichte.«
»Leider ist sie noch nicht zu Ende.«
»Wieso?«
»Nun ja, meine Lieben: Ich wurde meiner
Mutter fortgenommen, als ich gerade geboren war, und sie wußte nicht, wo man
mich hinbrachte. Und ich wußte nicht, wer meine Mutter war. Die einzigen, die
darüber Bescheid wußten, waren Uther Pendragon und Merlin. Viele Jahre später,
als ich schon König war, lernte ich die Familie meiner Mutter kennen, ohne zu
wissen, wer sie waren. Uther war tot, und Merlin kam immer mit seinem Zweiten
Gesicht derart durcheinander, daß er ganz vergaß, mich darüber aufzuklären, und
so begegneten wir uns als Fremde. Eine von ihnen fand ich klug und hübsch.«
»Die berühmten Cornwall-Schwestern«,
bemerkte die Königin
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