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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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gesammelt, die weit weg gewesen
waren, bei den Orkneys oder irgend welchen anderen Staatsgeschäften. Er war im
Vorraum stehengeblieben, den ein Vorhang vom Zimmer trennte, und seine blasse
Hand mit dem königlichen Siegelring schimmerte in der Dunkelheit, als sie den
Bildteppich beiseite schob – und dann hatte er, ohne auch nur einen Moment
gehorcht zu haben, die Tapisserie fallenlassen und war verschwunden. Er suchte
einen Pagen, damit dieser ihn anmelde.
    »Das einzig Anständige wäre«, sagte
Lanzelot und rang die Hände zwischen den Knien, »das einzig Anständige für mich
wäre, wenn ich fortginge und nie mehr wiederkäme. Aber mein Hirn hat’s schon
das erste Mal nicht ausgehalten, als ich’s versuchte.«
    »Mein armer Lanz, hätten wir doch bloß
nicht aufgehört mit Singen! Jetzt erregt Ihr Euch wieder und bekommt einen
Eurer Anfälle. Warum lassen wir nicht einfach alles, wie es ist? Soll doch Euer
berühmter Gott sich
darum kümmern. Es hat keinen Sinn, sich den Kopf zu zerbrechen und dies oder
das zu tun, weil’s recht oder falsch ist. Ich weiß nicht, was richtig und was
falsch ist. Aber können wir nicht auf uns selbst vertrauen und das tun, was
sich eben ergibt, und darauf hoffen, daß es schon gut wird?«
    »Ihr seid seine Frau, und ich bin sein
Freund.«
    »Nun«, sagte sie, »wie kommt es dann, daß
wir uns lieben?«
    »Jenny, ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Dann tut gar nichts. Kommt her und küßt
mich lieb, und Gott wird uns beiden beistehn.«
    »Mein Liebes!«
    Da polterte der Page die Treppe herauf mit
dem Donnergetrampel, wie es bei Pagen nun mal üblich ist. Er brachte Kerzen
mit. Arthur hatte Licht befohlen.
    Der Raum um die Liebenden erglühte in
Farben. Sie hatten sich hastig losgelassen. Die volle Pracht der Tapisserien
sprang in die Augen, als der Knabe die Dochte entzündete. Die blumenreichen
Wiesen und Vögel tragenden Gehölze der Knüpfkunstwerke aus Arras wogten,
wimmelnd von Leben, über die vier Wände. Der Türvorhang hob sich aufs neue, und
der König befand sich im Gemach.
    Er sah alt aus, älter als die beiden. Aber
es war das noble Alter der Selbstachtung. Bisweilen findet man sogar
heutigentags noch einen Mann von sechzig, der sich gerade hält wie eine Gerte
und dessen Haar schwarz ist. Sie waren von dieser Art. Lanzelot erschien jetzt,
da er deutlich zu sehen war, als das leibhaftige Inbild verfeinerter Humanität
– ein Fanatiker menschlicher Verantwortlichkeit. Ginevra – und dies mag den
überraschen, der sie aus ihren stürmischen Tagen kennt – wirkte sanft und
hübsch. Fast hätte man sie beschützen mögen. Derjenige aber unter den dreien,
dessen Anblick unmittelbar ans Herz des Betrachters rührte, war Arthur. Er war
so schlicht gekleidet, war so gutmütig, so geduldig im Großen wie im Kleinen.
Wenn die Königin illustre Gäste unter dem Kronleuchter der Großen Halle
bewirtete, hatte Lanzelot ihn oftmals in einem kleinen Nebenraum angetroffen,
wo er, ganz alleine, Strümpfe stopfte. Jetzt stand er in seinem blauen Hausrock
– das Blau war Königen oder Heiligen oder Engelsbildern vorbehalten, weil diese
Farbe damals kostbar war – auf der Schwelle des erleuchteten Gemachs.
    »Nun, Lanz. Nun, Gin.«
    Ginevra, deren Atem noch schnell ging,
erwiderte seinen Gruß. »Nun, Arthur. Ihr habt uns überrascht.«
    »Das tut mir leid. Ich bin eben erst
zurückgekehrt.«
    »Wie waren die Gawaines?« fragte Lanzelot
in dem alten kameradschaftlichen Ton, der ihm nie mehr natürlich über die
Lippen kommen wollte.
    »Sie schlugen sich, als ich ankam.«
    »Typisch!« riefen sie aus. »Was tatet Ihr?
Weshalb schlugen sie sich?« Sie gaben sich, als ginge es um Tod oder Leben, und
verfielen in eine falsche Tonart, weil sie noch zu sehr mit sich selbst
beschäftigt waren.
    Der König blickte unverwandt vor sich hin.
    »Ich hab’ nicht gefragt.«
    »Irgendeine Familienaffäre«, sagte die
Königin, »ganz gewiß.«
    »Gewiß ging’s um so was.«
    »Hoffentlich ist keiner zu Schaden
gekommen?«
    »Keiner ist zu Schaden gekommen.«
    »Wohl denn«, sagte sie laut, wobei sie
selber merkte, daß ihre Erleichterung seltsam ungereimt klang, »dann ist’s ja
gut.«
    »Ja, das ist gut.«
    Sie sahen, daß er mit den Augen zwinkerte.
Ihre Verwirrtheit amüsierte ihn. Die Atmosphäre war wieder normal.
    »Und jetzt«, sagte der König, »brauchen
wir wohl nicht mehr über die Gawaines zu reden. Kriege ich von meiner Frau
keinen Kuß mehr?«
    »Lieber.«
    Sie zog seinen

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