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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Vielleicht führen sie aus anderen Gründen Krieg –
weil alle Fabrikanten sind oder alle Haustiere besitzen oder alle Landwirte
sind wie manche Ameisen, oder weil sie alle Lebensmittelvorräte haben. Mit
einer Diskussion solcher Möglichkeiten brauche ich Euch nicht zu langweilen,
Ihr müßt sie selbst untersuchen. Spinnen sind die größten Fabrikanten, doch sie
führen keine Kriege; Bienen haben weder Haustiere noch Landwirtschaft, aber sie
kämpfen gegeneinander; viele kriegerische Ameisen haben keine Nahrungsvorräte.
Durch solche Denkvorgänge, ähnlich der Suche nach dem größten gemeinsamen
Nenner in der Mathematik, werdet Ihr bei der Erklärung enden, die ich angeboten
habe – eine Erklärung, die tatsächlich für sich selber spricht, wenn man sie
näher betrachtet. Krieg ist auf Gemeinschaftseigentum zurückzuführen, auf eben
das, was fast alle Demagogen befürworten, die mit einer sogenannten Neuen
Ordnung hausieren gehen. Ich bin mit meinen Beispielen am Ende. Wir müssen zu
den konkreten Fällen zurückkehren, um die Sache zu untersuchen. Laßt uns eine
Krähenkolonie betrachten. Hier haben wir ein geselliges Tier wie die Ameise,
das mit seinen Gefährten in luftigen Gemeinschaften zusammenlebt. Die
Krähenkolonie kennt einen Nationalismus insoweit, als sie andere Krähen aus
anderen Schwärmen vertreibt, die versuchen, sich in ihren Bäumen einzunisten.
Die Krähe ist nicht nur gesellig, sondern auch leicht nationalistisch. Wichtig
ist aber, daß sie bei ihren Jagdgründen kein nationales Eigentum beansprucht.
Jedes nahegelegene Stück Land mit vielen Würmern oder Samen wird nicht nur von
den Krähen dieser Kolonie besucht, sondern auch
von anderen aus Kolonien in der Nähe, außerdem von den Dohlen und Tauben der
Nachbarschaft, ohne daß Feindseligkeiten ausbrechen. Der Anspruch der Krähen
auf Nationaleigentum beschränkt sich auf ihr Nistgelände, und deshalb kennen
sie die Geißel des Krieges nicht. Sie bekennen sich zu der offensichtlichen
natürlichen Wahrheit, daß Privatunternehmen Zugang zu Rohstoffen haben müssen.
    Wenden wir uns nun den Gänsen zu: eine der
ältesten Rassen, eine der kultiviertesten und sprachbegabtesten. Sie sind
bewundernswerte Musikanten und Poeten, Herren der Lüfte seit Jahrmillionen,
ohne je eine Bombe geworfen zu haben, monogam, diszipliniert, intelligent,
gesellig, moralisch, verantwortungsbewußt – und unerschütterlich in ihrem
Glauben, daß die natürlichen Resourcen von keiner besonderen Sekte oder Familie
ihres Stammes beansprucht werden können. In einem guten Beet von Zostera
marina oder einem schönen Stoppelfeld kann man heute zweihundert Gänse
antreffen und morgen zehntausend. In einem Gänseschwarm, der vom Weidegrund zum
Ruheplatz zieht, fliegen Bläßgänse neben Rotfüßlern oder Graugänsen, vielleicht
sogar mit Ringelgänsen. Die Welt gehört allen. Dennoch sind sie keine
Kommunisten. Jede einzelne Gans ist bereit, ihren Nachbarn wegen einer
verfaulten Kartoffel zu überfallen, und ihre Frauen und Nester sind absolutes
Privateigentum. Sie haben kein gemeinsames Zuhause und keinen gemeinsamen Magen
wie die Ameisen. Und diese herrlichen Geschöpfe, die frei über den ganzen
Erdball ziehen, ohne irgendeinen Teil davon zu beanspruchen, haben nie einen
Krieg geführt.
    Der Nationalismus, das Verlangen kleiner
Gemeinwesen, Teile der unparteiischen Erde als Gemeinschaftseigentum zu
besitzen – das ist der Fluch des Menschen. Die engstirnigen und schwatzhaften
Verfechter des irischen oder polnischen Nationalismus – sie sind die Feinde des
Menschen. Ja, und die Engländer, die prahlerisch einen Weltkrieg für ›die
Rechte der kleinen Völker‹ führen – während sie einer Frau ein Denkmal setzen,
die den Märtyrertod starb wegen der Bemerkung, Patriotismus sei nicht gut genug
–, diese Leute kann man nur als eine Ansammlung wohlmeinender Schwachköpfe unter
Führung verwirrter Gauner bezeichnen. Dabei ist es nicht gerecht, ausgerechnet
an den Engländern, den Iren und den Polen herumzumäkeln. Das betrifft uns alle.
Es ist die allgemeine Idiotie des Homo impoliticus. Überhaupt, wenn ich
in diesem Zusammenhang unfreundlich von den Engländern spreche, so möchte ich
sofort hinzufügen, daß ich mehrere Jahrhunderte lang unter ihnen gelebt habe.
Selbst wenn sie eine Ansammlung schwachsinniger Gauner sind, so sind sie doch
wenigstens verwirrt und gutgläubig dabei, und das ist meiner Meinung nach der
tyrannischen und zynischen Dummheit der

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