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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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weiter – auf ein
fernes Glühen zu, das matt zwischen den Baumkronen hindurchschimmerte.
    Sie gelangten auf eine großflächige Waldblöße, fast
schon eine Ebene. Stocksteif und still standen sie da und wußten vor
Überraschung nichts zu sagen. Sie sahen ein Schloß, das ganz und gar aus
Eßbarem bestand. Die einzige Ausnahme bildete – auf der Spitze des Bergfrieds
– eine Krähe, die einen Pfeil im Schnabel hielt.
    Die Allerältesten waren Vielfraße. Das kam
vermutlich daher, daß sie selten genug zu essen hatten. Sogar heutigentags
noch kann man ein von ihnen verfaßtes Gedicht lesen, das unter dem Titel »Vision
of Mac Conglinne« bekannt ist. In dieser »Vision« findet sich die Beschreibung
eines Schlosses, das aus den verschiedensten Nahrungsmitteln erbaut ist. Ein
Teil des Poems lautet:
     
    »Ich sah einen See
aus frischer Milch
    Inmitten einer
schönen Ebene;
    Ich sah ein
wohlgeziertes Haus
    Mit einem Dach aus
Butter.
     
    Pfannkuchen die
Pfosten seiner Türe,
    Drinnen Sessel aus
Quark und süßer Sahne,
    Betten aus feinem,
mildem Speck;
    Viele Schilde sah ich
aus Käse, zu Platten gepreßt.
     
    Hinter den
Schildriemen Krieger,
    Weich, sanft, alle
aus süßem Käse,
    Männer ohne Harm
gegen gälische Helden,
    Lanzen aus ranziger
Butter jeder in der Hand.
     
    Ein gewaltiger
Kessel: köstliches Fleisch
    (Ich würde mich
allezeit daranmachen)
    Blubberte; blättriger
Wirsing, bräunlichweiß;
    Gefäße, randvoll mit
schäumender Milch.
     
    Ein Haus aus
Schinken, zweimalzwanzig Rippen,
    Ein Geheg aus
Kutteln, ein Schutzzaun dem Clan;
    Allerart Speise, die
Menschen erfreut,
    War hier an einem
einzigen Ort versammelt.
     
    Aus Ferkelkaldaunen
die Dachsparren,
    Kunstvoll
gedrechselt, meisterlich;
    Eine Augenweide die
Balken und Pfosten
    Aus geräuchertem
Wildschwein.«
     
    Die Jungen standen da,
verwundert und verschreckt: Welch eine Festung! Sie erhob sich im mystischen
Licht ihrer selbst aus einem Sahne-See, fettig funkelnd, buttergelb. Dies war
der märchenhafte Anblick des Castle Chariot. Die Ältesten hatten – die
verborgenen Spitzen und Messerschneiden spürend – es darauf angelegt, daß die
Kinder in Versuchung gerieten. Es sollte sie zum Essen verleiten.
    Da roch es wie in einem Milchladen, wie beim Bäcker
und Schlächter und Fischhändler – alles in einem. Es roch süß und scharf und
säuerlich – kurz: es stank stupend, so daß sie nicht das mindeste Gelüst
verspürten, auch nur den kleinsten Bissen zu probieren. Die einzige Versuchung
war: wegzulaufen.
    Doch galt es, die Gefangenen zu befreien.
    Sie stapften über die schmierige Zugbrücke, die aus
Butter bestand, ranzig, noch mit Rinderhaaren vermengt; bis zu den Knöcheln
sanken sie ein. Sie erschraken angesichts der Kutteln, des Gekröses. Sie
richteten ihre eisernen Messer gegen die Soldaten aus komischem kaltem Käse,
und die Molkerei-Mannen schrumpften zurück.
    Endlich kamen sie ins innere Gemach, in die Kemenate,
allwo Morgan le Fay auf einer üppigen Ottomane aus schierem Schweineschmalz
ruhte.
    Sie war eine fett-feiste schlampige Dame mittleren
Alters mit schwarzen Haaren und der Andeutung eines Schnurrbarts; doch sie
bestand aus Menschenfleisch. Wie sie die gezückten Messer sah, hielt sie ihre
Augen geschlossen, als befände sie sich in Trance. Möglicherweise nahm sie,
wenn sie sich außerhalb dieses höchst wunderlichen Schlosses befand oder nicht
solch sonderbarer Appetit-Anregung unterlag, gefälligere Formen an.
    Die Gefangenen waren an Säulen aus purem Schweinefleisch
gefesselt.
    »Ich bitte um Vergebung, daß dies Eisen Euch
schmerzt«, sagte Kay, »aber wir sind gekommen, um unsre Freunde zu befreien.«
    Königin Morgan erschauderte.
    »Würdet Ihr Euern käsiglichen Kriegern wohl befehlen,
sie loszubinden?«
    Sie zeigte keinerlei Neigung.
    »Da ist Zauberei im Spiel«, sagte Wart. »Meinst du,
wir sollten ihr einen Kuß geben oder so was Furchtbares?«
    »Vielleicht sollten wir sie mit dem Eisen
berühren.«
    »Ja, tu das.«
    »Nein, tu du’s.«
    »Komm, wir gehn gemeinsam.«
    Also nahmen sie sich bei der Hand und gingen auf
die Königin zu. Sie wand sich in ihrem Schmalz wie eine Schnecke. Das Erz
verursachte bei ihr einen Krampf.
    Doch da ertönte, als sie fast in Reichweite waren,
ein donnerndes Dröhnen – nein: mehr ein klatschendes Schmatzen –, und das ganze
hexenhafte Castle Chariot schmolz dahin. Übrig blieben nur die fünf Menschen
und ein Hund – mitten auf der Waldlichtung, die schwach nach

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