Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
wachsen: ein
regloses Wachstum. Und wenn sie da waren, wenn es schien, als würden sie mit
ihren Schnäbeln schmerzhaft an diese scheinbar feste Masse stoßen – dann
dämmerte die Sonne herauf. Sekundenlang ringelten sich plötzlich Nebelschwaden
zu ihren Füßen wie Schlangen der Lüfte. Grauer Dunst umgab sie – und die Sonne,
ein kupferner Pfennig, verblaßte, verblich. Die Flügel des Nachbarn tauchten
ins Leere, bis jeder Vogel ein einsames Geräusch war im Nichts, ein
Gegenwärtiges nach der Ent-Schöpfung. Und dort hingen sie nun, im
Un-Kartographierten, anscheinend ohne Fahrt, ohne Links und Rechts und Oben
oder Unten, bis urplötzlich der Kupferpfennig wieder glühte und die Schlangen
sich wieder ringelten. Einen Augenblick lang waren sie neuerlich in der
Juwelen-Welt, hatten unter sich ein Meer aus Türkis und alle neugeschaffenen
Prunkpaläste des Paradieses. Eine Felsklippe im Ozean half ihnen, bei dieser
Flugwanderung nicht die Richtung zu verlieren. Auch andere Orientierungspunkte
gab es. Einmal, zum Beispiel, kreuzten Zwergschwäne ihren Weg, in einer Reihe
hintereinander fliegend, nach Abisco zu, lärmend wie kläffende kleine Köter,
denen man ein Taschentuch übergeworfen hat. Ein andermal überholten sie eine
Waldohreule, die sich mühsam abplagte und – dem Vernehmen nach – in ihren
warmen Rückenfedern einen winzigen Zaunkönig als blinden Passagier an Bord
hatte. Die einsame Insel jedoch war die beste Wegmarke.
    Es war eine Vogel-Stadt. Alle brüteten, alle
zankten sich, und alle waren trotzdem freundlich. Oben auf dem Kliff, wo das
kurze Gras wuchs, waren zahllose Papageitaucher an ihren Bauten tätig.
Darunter, auf der Tordalkstraße, hockten die Vögel derart dicht gedrängt, und
auf so schmalen Graten, daß sie mit der Kehrseite zum Meer stehen und sich mit
langen Krallen festhalten mußten. In der Lummenstraße, darunter, hielten die
Seetaucher ihre scharfen Zwergengesichter nach oben gerichtet, wie brütende
Drosseln es tun. Ganz unten waren die Dreizehenmöwen-Slums. Und alle Vögel –
die, fast menschenähnlich, nur ein Ei pro Person legten – standen derart eng
beisammen, daß ihre Hälse sich ineinander verschlangen und verwoben. Sie hatten
so wenig »Lebensraum«, wie wir das anrüchigerweise zu nennen belieben, daß
dauernd dieser Fall eintrat: so oft ein neuer Vogel darauf bestand, auf dem
Grat zu landen, der bereits voll besetzt war, purzelte einer der anderen Vögel
herunter. Trotzdem aber waren sie bester Laune; sie scherzten und alberten und
zogen sich gegenseitig auf. Sie ähnelten einer unzählbaren Menge von
Fischweibern auf dem größten Markt der Welt, die sich in private Dispute
stürzen, aus Tüten essen, den Ordnungshüter beschimpfen, zweideutige Lieder
singen, ihre Kinder verwarnen und über ihre Männer herziehen. »Rück mal’n
Stück, Tantchen«, hieß es. Oder: »Komm, Oma, mach mal Platz.« Oder: »Setzt sich
die Alte doch tatsächlich mittenmang die Garnelen.« Oder: »Willst du dir nicht
erst mal die Nase putzen?« Oder: »Sag doch: Ist das nicht Onkel Otto mit’n
Bier?« Oder: »Mich’ noch Platz für meine Wenigkeit?« Oder: »Tante Emma – da
geht sie hin, ist glattweg vom Stengel gefallen.« Oder: »Sitzt mein Hut auch
richtig?« Oder: »Du Schnösel, laß das mal gefälligst bleiben!«
    Sie hielten sich mehr oder weniger zusammen,
nahmen’s aber nicht allzu genau. Es kam durchaus vor, daß eine Dreizehenmöwe in
der Lummenstraße saß, auf irgendeinem Vorsprung, und stur auf ihrem Recht
beharrte. Insgesamt mochten es an die Zehntausend sein, und der Lärm, den sie
machten, war ohrenbetäubend.
    Dann kamen die Fjorde und Inseln Norwegens. Auf einer
dieser Inseln, übrigens, siedelte der große H. W. Hudson eine wahre
Gänsegeschichte an, die einen nachdenklich stimmen könnte. Es war ein
Küsten-Bauer, so erzählt er, dessen Inseln unter einer Fuchsplage zu leiden
hatten. Also stellte er eine Fuchsfalle auf. Als er die Falle am nächsten Tag
inspizierte, sah er, daß sich eine alte Wildgans darin gefangen hatte, offenbar
ein Großadmiral: wegen seiner Zähigkeit und der dicken Kolbenringe. Der Bauer
nahm die Gans mit nach Hause, beschnitt ihr die Schwingen, band ihr die Beine
und setzte sie auf den Hof zu seinem anderen Geflügel. Nun hatte aber die
Fuchsplage auch zur Folge, daß der Bauer jeden Abend seinen Hühnerstall
versperrte. Abend für Abend ging er über den Hof, scheuchte sie in den Stall
und sperrte die Tür zu. Nach einer Weile fiel

Weitere Kostenlose Bücher