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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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ammon zu schießen. Jedenfalls achteten
bescheidene Männer darauf, es mit der Bogenlänge nicht zu übertreiben. Alles
andere war Angabe, Prahlerei.
    Im Lauf der Jahre wurde Kay immer schwieriger.
Stets nahm er einen Bogen, der zu groß für ihn war, und besonders genau schoß
er mit ihm auch nicht. Er verlor leicht die Beherrschung und forderte fast
jeden zum Kampf heraus; in den wenigen Fällen, da es tatsächlich zu einem
Zweikampf kam, wurde er unweigerlich geschlagen. Auch neigte er zu Sarkasmus.
Er setzte dem Waffenmeister zu, indem er ihn mit seinem Bauch hänselte, und
Wart ärgerte er, indem er ihn nach seinem Vater und nach seiner Mutter fragte,
wenn Sir Ector nicht in der Nähe war. Dabei schien er’s nicht einmal absichtlich
zu tun. Es war, als mißfalle es ihm selber – nur kam er nicht dagegen an.
    Wart war weiterhin dümmlich, in Kay vernarrt und an
Vögeln interessiert.
    Merlin sah mit jedem Jahr jünger aus – was nur
allzu natürlich war, da er’s ja wurde.
    Archimedes wurde verheiratet und zog mehrere hübsche
Brüten dunengekleideter Jungtiere im Turmzimmer auf.
    Sir Ector bekam Ischias. In drei Bäume schlug der
Blitz. Master Twyti kam jedes Jahr zu Weihnachten, ohne sich im geringsten zu
verändern. Master Passelewe fiel eine neue Strophe zu ›King Cole‹ ein.
    Die Jahre gingen gleichmäßig dahin, und der
altenglische Schnee lag, wie es von ihm erwartet wurde – bisweilen mit einer
rotbrüstigen Wanderdrossel in der einen Ecke des Bildes, einer Kirchenglocke
oder einem erhellten Fenster in der anderen – , und zum Schluß war’s nahezu
an der Zeit für Kays Initiation: für seinen Ritterschlag. Je näher der Tag kam,
desto weiter entfernten sich die Jungen voneinander, denn Kay mochte Wart nun
nicht länger mit sich gleichgestellt wissen, da er als Ritter größere Würde zu
zeigen hatte und es sich nicht leisten konnte, daß sein Schildknappe auf
vertrautem Fuße mit ihm stand. Wart, der sein Knappe werden sollte, folgte ihm
niedergeschlagen nach, solange es ihm gestattet war, und ging dann betrübt
seiner Wege, um sich so gut wie möglich allein zu unterhalten. Er ging in die
Küche.
    Tja, jetzt bin ich ein Aschenbrödel, sagte er zu
sich. Auch wenn mir bisher aus irgendeinem mysteriösen Grund das Beste zuteil
geworden ist – in unserer Ausbildung –, so muß ich doch jetzt dafür bezahlen,
daß ich das Wunderbare gesehen habe: die Drachen, Hexen, Fische, Giraffen,
Ameisen, Wildgänse und dergleichen. Nun muß ich ein zweitrangiger Knappe werden
und Ersatzlanzen für Kay bereithalten, während er an einem Brunnen oder so
was lauert und mit jedem tjostiert, der daherkommt. Na ja, jedenfalls war’s
schön, und gar so schlimm ist es ja auch nicht, Aschenbrödel zu sein, wenn ich
in einer Küche bin, deren Feuerstelle so groß ist, daß man einen Ochsen dann
braten kann. –
    Und Wart sah sich mit bekümmertem Blick in der betriebsamen
Küche um, die von den Herdflammen so heftig erleuchtet wurde, daß sie wie die
Hölle wirkte.
    Die Ausbildung eines Mannes von Geblüt durchlief in
der damaligen Zeit drei Phasen: Page, Knappe, Ritter -und Wart hatte immerhin
die zweite Stufe erreicht. Es war ungefähr so, wie wenn ein zu Geld gekommener
Kaufmann seinen Sohn von der Pike auf lernen läßt. Als Page hatte Wart gelernt,
den Tisch zu decken – mit drei Tafeltüchern und einem schmalen Läufer –, das
Fleisch aus der Küche zu holen und Sir Ector und seine Gäste mit gebeugtem Knie
zu bedienen, wobei er für jeden Besucher ein sauberes Handtuch über der
Schulter hatte und ein anderes Tuch zum Auswischen der Schalen. Er hatte die
edle Kunst der Dienstbarkeit erlernt, und seit er zurückdenken konnte,
begleiteten ihn die verschiedensten Wohlgerüche, als da waren: Minze – mit der
das Wasser in den Krügen parfümiert wurde – , Basilikum, Kamille, Fenchel, Ysop
und Lavendel – die er auf dem Binsenboden verstreute – , und Engelwurz, Safran,
Anis und Estragon, mit denen die pikanten Vor- und Nachspeisen gewürzt
wurden, die er auftrug. So, als fühlte er sich in der Küche keineswegs fremd,
ganz abgesehen davon, daß jedermann, der im Schloß wohnte, sein Freund war,
den man bei jeder Gelegenheit besuchen durfte.
    Wart setzte sich in den Schein des gewaltigen
Feuers und sah sich behaglich um. Er betrachtete die langen Bratspieße, die er
oft genüg gedreht hatte, als er kleiner gewesen war: hinter einer
wassergetränkten alten Strohzielscheibe sitzend, damit er nicht

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