Der König auf Camelot
ihm etwas Sonderbares auf: das
Federvieh brauchte nicht mehr zusammengetrieben zu werden, sondern wartete im
Stall auf ihn. Eines Abends wollte er dem Geheimnis auf die Spur kommen und entdeckte,
daß der gefangene Potentat die Aufgabe übernommen hatte, die ihm vermöge
seiner Intelligenz nicht verborgen geblieben war. Zur Nachtzeit sammelte der
scharfsinnige alte Admiral seine domestizierten Kameraden ein, zu deren Führer
er sich aufgeschwungen hatte, und brachte sie selbständig und sorgsam an den
dafür bestimmten Ort, so, als hätte er die Situation klar erkannt.
Die freien Wildgänse, seine einstigen Gefolgsleute,
ließen sich nie wieder auf jener Insel nieder, die früher ihr bevorzugter
Aufenthaltsort gewesen war und von der man ihren Käpt’n plötzlich weggehext
hatte.
Nach den Inseln kam dann endlich die Landung am
Zielort des ersten Reisetages. Dieses freudige Gezeter! Diese
Selbstbeglückwünschungen! Sie ließen sich vom Himmel fallen, rutschten seitlich
ab, führten allerlei akrobatische Glanzleistungen vor, ja: sie machten sogar
Sturzspiralen. Sie waren stolz auf sich und auf ihren Lotsen und freuten sich
auf die vor ihnen liegenden Familienfeiern.
Die letzte Strecke glitten sie mit niedergebogenen
Schwingen dahin. Im allerletzten Moment flatterten sie heftig, peitschten die
Luft. Dann – plumps – waren sie auf dem Boden. Einen Augenblick lang hielten
sie die Flügel über den Köpfen, dann legten sie sie flink und akkurat zusammen.
Sie hatten die Nordsee überflogen.
»Was ist denn, Wart«, sagte Kay verärgert, »willst
du das ganze Fell für dich alleine haben? Und weshalb seufzt und brummeist du
so? Ja, und schnarchen tust du auch.«
»Ich schnarche nicht«, entgegnete Wart entrüstet.
»Tust du doch.«
»Tu ich nicht.«
»Tust du doch. Du tutest wie eine Gans.«
»Tu ich nicht.«
»Tust du doch.«
»Tu ich nicht. Und du schnarchst noch viel
schlimmer.«
»Nein, tu ich nicht.«
»Doch, tust du wohl.«
»Wie kann ich schlimmer schnarchen, wenn du gar
nicht schnarchst?«
Als sie diesen Disput handgreiflich ausgetragen und
erledigt hatten, war’s zum Frühstück zu spät. Eilends zogen sie sich an und
liefen hinaus in den Frühling.
KAPITEL 20
Wieder wurde Heu gemacht,
und Merlin war nun schon ein Jahr bei ihnen. Es hatte gewindet, es hatte
geschneit, es hatte geregnet, und jetzt brannte wieder die Sonne. Die beiden
Jungen schienen ein bißchen in die Höhe geschossen zu sein, doch sonst war
alles unverändert.
Sechs weitere Jahre vergingen.
Manchmal kam Sir Grummore zu Besuch. Manchmal
konnte man König Pellinore durch die Gegend galoppieren sehen; entweder war er
hinter dem Biest her, oder das Biest war – wenn sie ihre Rollen im Eifer mal
verwechselten – hinter ihm her. Cully verlor die senkrechten Streifen seines
Jugendgefieders und wurde grauer, grimmiger, böser und zeigte hübsche
waagrechte Streifen, wo die Längsbänder gewesen waren. Die Zwergfalken ließ man
in jedem Winter frei; dafür wurden im nächsten Jahr neue gefangen. Hobs Haare
wurden weiß. Der Feldweibel entwickelte einen veritablen Schmerbauch und wäre
darob vor Scham fast vergangen, schrie aber immer noch bei jeder sich bietenden
Gelegenheit mit heiserer Stimme sein Eins-Zwei. Sonst schien sich niemand zu
verändern, ausgenommen die Jungen.
Die gingen in die Länge. Sie sprangen immer noch
wie wilde Füllen umher und suchten Robin auf, wenn es ihnen in den Sinn kam,
und hatten zahllose Abenteuer, die man unmöglich alle erzählen kann.
Merlins Spezialunterricht wurde fortgesetzt. Zu
jener Zeit waren nämlich sogar die Erwachsenen kindisch genug, daß sie es
nicht uninteressant fanden, für eine Weile Eulen zu werden. Wart wurde in
unzählige verschiedene Tiere verwandelt. Im Gegensatz zu früher waren Kay und
sein Kamerad nun beim Fechten durchaus imstande, ihrem Lehrmeister, dem
schmerbäuchigen Feldweibel, kräftig Paroli zu bieten und ihm – unbeabsichtigt,
versteht sich – manchen Stoß heimzuzahlen, den er ihnen früher versetzt hatte.
Als sie Teenager wurden, bekamen sie richtige Waffen zum Geschenk, ein Stück
nach dem ändern, bis sie schließlich über vollständige Rüstungen verfügten und
fast sechs Fuß lange Bogen hatten, mit denen man Ellen-Pfeile abschoß. Im allgemeinen
pflegte man keine Bogen zu benutzen, die länger waren als man selber, da dies
unnütze Energieverschwendung bedeutete, so, als verwende man eine
Elefantenbüchse, um damit auf ovis
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