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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Weideplätze?«
    »Meine Güte: du spinnst tatsächlich«, sagte sie.
»Bei Gänsen gibt’s doch keine Grenzen.«
    »Was sind Grenzen, bitte?«
    »Imaginäre Linien auf der Erde, glaub’ ich. Wie
kann’s Grenzen geben, wenn du fliegst? Deine Ameisen – und auch die Menschen –
, die müßten am Ende aufhören zu kämpfen, wenn sie sich in die Lüfte begäben.«
    »Aber Kämpfen ist ritterlich«, sagte Wart. »Mir gefällt’s.«
    »Weil du ein Baby bist.«
     
     
     
     
    KAPITEL 19
     
     
    Es war etwas Magisches um
Zeit und Raum, sobald Merlin seine Hand im Spiel hatte; denn Wart kam es so
vor, als verbringe er viele Tage und Nächte bei den Grauen in dieser einzigen
Frühlingsnacht, da er seinen Körper unter dem Bärenfell schlafend
zurückgelassen hatte.
    Er fing an, Lyo-lyok gern zu haben, obwohl sie ein
Mädchen war. Ständig stellte er ihr Fragen, unersättlich. Mit sanfter
Freundlichkeit lehrte sie ihn, was sie wußte, und je mehr er lernte, desto
lieber wurden ihm ihre aufrechten und vornehmen, ruhigen und intelligenten Anverwandten.
Sie erzählte ihm, daß jede Bläßgans ein Individuum sei, von keinen Gesetzen
oder Führern regiert, falls sich das nicht irgendwie spontan ergab. Sie hatten
keine Könige wie Uther, keine harten unerbittlichen Gesetze, wie sie von den
Normannen erlassen worden waren. Auch hatten sie keinen Gemeinbesitz. Jede
Gans, die etwas Leckeres zu fressen fand, betrachtete dies als ihr Eigentum und
hackte jede andere weg, die es zu stehlen versuchte. Gleichzeitig jedoch
beanspruchte keine Gans irgend welche exklusiven territorialen Rechte in irgendeiner
Gegend der Welt – ausgenommen ihr Nest, und das war ihr Privateigentum. Sie
erzählte ihm auch viel vom Vogelzug.
    »Die erste Gans«, sagte sie, »die von Sibirien nach
Lincolnshire und zurück geflogen ist, muß wohl in Sibirien eine Familie
gegründet haben. Als dann der Winter kam und es schwierig wurde, Nahrung zu
finden, muß sie wieder ihren Weg gesucht und dieselbe Route benutzt haben, die
niemand sonst kannte. Diesem Ganter wird Jahr für Jahr seine immer größer
werdende Familie gefolgt sein, und er wurde ihr Lotse und Admiral. Als es dann
ans Sterben ging, waren natürlich seine ältesten Söhne die besten Lotsen, da
sie die Route öfter zurückgelegt hatten als alle ändern. Die jüngeren Söhne
und Gösseln waren ihrer Sache nicht sicher und folgten daher gerne jemandem,
der genau Bescheid wußte. Vielleicht befanden sich unter den ältesten Söhnen
einige, die ihrer Wirrköpfigkeit wegen berühmt waren, und denen traute die
Familie nicht so recht. – In diesem Fall«, sagte sie, »wird ein Admiral
gewählt. Vielleicht kommt im Herbst Winkwink zu unserer Familie und sagt:
›Entschuldigt, aber habt ihr vielleicht einen zuverlässigen Lotsen bei euch?
Unser armer alter Opa ist im Sommer verstorben, und Onkel Onk ist untauglich.
Wir suchen jemanden, dem wir nachfolgen können.‹ Wir sagen dann: ›Großonkel
wird sich riesig freuen, wenn ihr euch uns anschließt; aber wir können gar
keine Verantwortung übernehmen, falls etwas schiefgehen sollte.‹ Und er sagt:
›Recht herzlichen Dank. Euer Großonkel ist bestimmt sehr zuverlässig. Ob ich
das wohl den Honks erzählen darf? Ich weiß nämlich zufällig, daß sie sich in
derselben Schwierigkeit befinden.‹ ›Aber gern.‹ – Und so«, erklärte sie, »wurde
Großonkel Admiral.«
    »Sehr vernünftig.«
    »Sieh dir seine Ringe an«, sagte sie respektvoll,
und beide blickten sie zu dem stattlichen Patriarchen hinüber, dessen Brust mit
schwarzen Streifen geschmückt war, ähnlich den goldenen Ringen am Ärmel des
Admirals.
    In den Vogelscharen machte sich wachsende Erregung
bemerkbar. Die jungen Gänse flirteten heftig oder versammelten sich in
Gruppen, um über ihre Lotsen zu diskutieren. Auch spielten sie Spiele, wie
Kinder tun, denen eine aufregende Party bevorsteht. Bei einem dieser Spiele
wurde ein Kreis gebildet, in den, einer nach dem anderen, die jüngeren Ganter
stolzierten, gereckten Halses und spielerisch zischend. Hatten sie den Kreis
zur Hälfte durchschritten, fingen sie zu laufen an und schlugen mit den
Flügeln. Hiermit wollten sie zeigen, wie tapfer sie seien und was für
ausgezeichnete Admirale sie abgeben würden, sobald sie erwachsen wären. Auch
eigneten sie sich die eigentümliche Sitte an, mit dem Schnabel zu schlenkern,
wie’s vor dem Fluge üblich war. Die Alten und Weisen, welche die
Vogelfluglinien kannten, wurden ebenfalls ruhelos. Sie

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