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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Kays Ritterschlag haben meine Mühen ein Ende. Du wirst
ihm dann als sein Knappe in die weite Welt folgen, und ich werde woanders
hingehn. Meinst du, du hast was gelernt?«
    »Ich habe
gelernt und bin glücklich gewesen.«
    »Dann ist’s
gut«, sagte Merlin. »Versuch zu behalten, was du gelernt hast.«
    Er fuhr mit
seinem Zauberspruch fort, wies mit seinem Stab aus lignum vitae zum Kleinen
Bären, der, mit dem Schwanz am Polarstern hängend, soeben sichtbar wurde, und
rief wohlgemut: »Laß dir die letzte Reise gut bekommen und grüß mir den
Dachs.«
    Die Stimme klang
weit entfernt, und Wart stand neben einem alten Grabhügel. Der glich einem
überdimensionalen Maulwurfshaufen, in dem ein schwarzes Loch war.
    Da drin lebt der
Dachs, sagte er sich, und ich muß reingehn und mit ihm reden. Aber ich tu’s
nicht. Schlimm genug, daß ich kein Ritter werde; und jetzt wird mir auch noch
mein lieber Lehrer genommen, den ich bei der einzigen Aventiure gefunden habe,
die mir vergönnt war, und nun ist’s Schluß mit der Naturgeschichte. Na schön,
die eine Nacht der Freude werd’ ich noch mitnehmen, eh ich verdammt werde, und
da ich nun einmal ein Grimbart bin, werd’ ich grimmig sein. Auf geht’s.
    Also trollte er
sich im Dunkeln bärbeißig durch den Schnee – denn es war Winter.
    Wenn man
verzweifelt ist, hat es allerhand für sich, ein Dachs zu sein. Verwandt mit den
Mardern und Ottern und Wieseln, steht man da im heutigen England einem
übriggebliebenen Bären am nächsten, und deine Schwarte ist so dick, daß es
keine Rolle spielt, wer einen beißt. Und was den eigenen Biß angeht. die Kiefer
sind derart gebaut, daß sie sich praktisch niemals ausrenken; was man beißt,
das darf sich also drehen und wenden, wie es will, ohne daß man es jemals
loslassen müßte. Dachse gehören zu den ganz wenigen Tieren, die einen Igel
unbekümmert verzehren können, wie sie auch alles andere verputzen: von
Wespennestern über Wurzeln bis zu Jungkaninchen.
    So geschah es
denn, daß Wart zuerst auf einen schlafenden Igel stieß.
    »Swinegel«,
sagte Wart und fixierte sein Opfer mit verschwommenen, kurzsichtigen Augen.
»Ich werd’ dich fressen.«
    Der Igel, der
seine funkelnden kleinen Knopfäuglein und die lange, vorgereckte, empfindsame
Nase im Knäuel seiner eingerollten Gestalt verbarg und seine Stacheln mit einem
nicht gerade sehr geschmackvollen Arrangement von toten Blättern geschmückt
hatte, ehe er in seinem Laubnest zur Winterruhe gegangen war, wachte auf und
lamentierte in den höchsten Tönen.
    »Je mehr du
kreischst«, sagte Wart, »desto mehr werd’ ich knirschen. Du bringst mein Blut
zum Kochen.«
    »Ui, Meister
Grimbart«, rief der Igel und blieb fest zusammengerollt. »Guter Meister
Grimbart, laßt einem armen Egel Gnade widerfahrn un’ seid nich’ so tyrannisch.
Wir sin’ doch nichts zum Fressen, Meister. Laßt Gnade waltn, gütger Herr, mit’n
harmlosn flohgestochnen Taglöhner, wo nich’ rechts von links unnerscheidn
kann.«
    »Swinegel«,
sagte Wart unbarmherzig, »ein-für-alle-mal: laß das Gewimmere!«
    »Ui weh, mein’
arme Frau un’ Kinner!«
    »Du hast ja gar
keine. Komm her, du Landstreicher. Dein Schicksal ist besiegelt.«
    »Meister
Grimbart«, bettelte das unglückliche Stacheltier, »ach, bittschön, seid nich’
so häßllich, lieber Meister Grimbart, werter Herr. Erhört das Flehn eines
armselign Egels! Laßt den arm’ Kerl lauf n, Herr un’ Meister, un’ er will Euch
Lieder singn oder Euch zeign, wie man inner Perltaufrühe die Kühe melkt.«
    »Singen?« fragte
Wart verblüfft.
    »Ui ja, singen«,
rief der Igel. Und eilends begann er in einem dringlich beschwichtigenden
Tonfall zu singen, allerdings recht gedämpften Klangs, da er nicht wagte, sich
aufzurollen.
    »O Genevieve«,
sang er todtraurig in seinen Bauch hinein, »o Genevieve,
     
    Es flieht
der Tag,
    Es flieht
das Jahr,
    Doch drin
in meinem Herzen tief
    Bleibt’s
stets,
    Wie’s
einmal war.«
     
    Auch sang er, ohne eine
Pause zwischen die Lieder zu schieben, ›Home Sweet Home‹ und ›The Old
Rustic Bridge by the Mill‹ . Damit war sein Repertoire erschöpft; schnell
und angstvoll holte er tief Luft und fing wieder mit ›Geneviève‹ an.
Danach sang er ›Home Sweet Home‹ und ›The Old Rustic Bridge by the
Mill‹ .
    »Komm«, sagte Wart, »hör auf. Ich beiß’ dich schon
nicht.«
    »Sanftmütiger Herr un’ Meister«, wisperte der Igel
ehrerbietig. »Wir wern die Heilign un’ alle Oberherrn für Euch un’

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