Der König der Diamanten
Erleichterung ihre Aufmerksamkeit auf den jüngeren Beamten.
»Wie ist das zu verstehen? Das mit dem Kümmern?«, fragte Clayton, den Janas Wortwahl überraschte.
»Ich bringe ihr das Essen. Ich räume ihr Zimmer auf. Ich wasche ihre Kleidung. Ich kümmere mich um sie.«
»Warum?«
»Warum? Weil Titus mich darum gebeten hat. Eine Frau ist dafür geeigneter als ein Mann.«
»Aber warum musste man sich um Miss Osman kümmern? Das ist es, was ich von Ihnen wissen will.«
»Es ging ihr nicht gut. Sie hat schlimme Dinge erlebt.«
»Und Sie hielten sie in ihrem Zimmer gefangen, damit sich das nicht wiederholt? Sehe ich das richtig?«, fragte Trave dazwischen. »Mit Eisenstäben vor den Fenstern und verriegelter Türe?«
»Nein. Nicht verriegelt.«
»Und gaben ihr Brot und Wasser. Zu ihrem eigenen Vorteil? Ja?«, bohrte Trave weiter. Seine Stimme klang jetzt scharf, als hätte er sich vorgenommen, die Wahrheit über Katya Osman durch einen Frontalangriff aus Jana Claes herauszuquetschen.
Doch Jana gab nicht nach. »Sie bekommt gutes Essen. Auf einem Tablett«, sagte sie und klang jetzt richtig verärgert. Sie hatte ihren Krückstock losgelassen und spielte nervös mit den Händen in ihrem Schoß. »Ich kann nichts dafür, wenn sie nicht essen will, was ich ihr bringe.«
»Und was haben Sie sonst noch so gemacht?«, fragte Trave. »Ihr Spritzen gegeben? In den linken Arm, oberhalb des Ellbogens?«
»Ich habe ihr ein Beruhigungsmittel verabreicht, damit sie schlafen kann. Aber nicht gestern Abend.«
»Wie oft?«
»Zweimal. Nicht öfter.«
»Überlegen Sie sich gut, was Sie sagen, Miss Claes«, sagte Trave langsam und sah Jana dabei direkt in die Augen. »Ich frage Sie noch einmal. Gibt es etwas, das Sie mir über Katya Osman sagen wollen, über das, was heute Nacht hier passiert ist?«
»Nein!« Fast spuckte Jana Claes das Wort aus. Sie blickte ärgerlich von einem Polizeibeamten zum anderen, griff dann nach ihrem Stock und erhob sich.
»Ich bin müde«, sagte sie. »Ich muss mich ausruhen.« Clayton ging zur Türe und hielt sie ihr auf, und als sie langsam an ihm vorbeiging, hätte er schwören können, dass sie sich auf die Lippen biss.
David Swain saß auf einem kleinen Hügel, den Rücken an eine große Rosskastanie gelehnt, und sah hinunter auf die Straße. Sie war hell erleuchtet von den Lichtern unzähliger Polizeiautos und Einsatzfahrzeuge, welche fast das gesamte Osman’sche Anwesen entlang parkten. Auch das Haus dahinter strahlte hell, fast wie ein nächtliches Leuchtfeuer, und linkerhand spiegelte sich der bleiche Mond im schwarzen Wasser des Blackwater Lake.
Die Polizei durchsuchte das Gelände. David konnte hören, wie sie sich im Dunkel der Bäume etwas zuriefen. Mit Sicherheit wussten sie, dass er verletzt war. Zumindest vermuteten sie es, denn sonst würden sie nicht Jagd auf ihn machen wie auf einen angeschossenen Fuchs, der sich verkrochen, aber eine Blutspur hinter sich hergezogen hat. Bald würden sie die Straße überqueren und auf seiner Seite des Hügels hochsteigen, doch dann wäre er schon auf und davon. Bloß wohin? Erneut überlegte David angestrengt, wie er vorgehen sollte, aber über das, was direkt vor ihm lag, kam er einfach nicht hinaus. Der Schmerz in seiner Schulter war viel zu stark. Er konnte nicht sagen, ob Claes’ Kugel ihn getroffen oder nur gestreift hatte, als er oben an der Treppe um die Ecke gehastet war. Er wusste nur, dass es wehtat und der ganze Arm höchst empfindlich war: schon die kleinste Berührung bereitete ihm Übelkeit. Als er oben am Hügel angekommen war, hatte er den linken Ärmel seines ohnehin schon eingerissenen Hemdes abgetrennt, um ihn als Verband zu verwenden, doch die Blutung hatte trotzdem nicht aufgehört. Er spürte das Blut seitlich hinunterlaufen und griff hinüber, um die Geldscheine aus der linken Hosentasche in die rechte zu stopfen. Das war alles, was er hatte: das Geld, die Waffe und einen kleinen Vorsprung.
David zitterte. Seit ein paar Minuten war ihm richtig kalt, und das, obwohl die Nacht relativ warm war für die Jahreszeit. Er wünschte, er hätte die Jacke aus dem Gefängnis mitgenommen, aber Eddie hatte darauf bestanden, sie für die Attrappen im Bett zu verwenden. Mieser Dreckskerl! Erneut verfluchte David den vormaligenFreund mit klappernden Zähnen. Warum hatte Eddie nicht gewartet, so wie er es versprochen hatte? David wusste, dass er nicht länger als fünfundzwanzig Minuten weg gewesen war – weniger als die
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