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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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gänzlich unbeeindruckt, denn sie stießen mich zwar recht unsanft ins Freie und fesselten mir dort die Hände mit einer Kette auf den Rücken, hielten sich danachaber mit weiteren Grobheiten zurück. Schweigend nahmen sie mich in die Mitte und führten mich in Richtung Dogenpalast.
    Mir war übel vor Angst und Entsetzen, und wirre Gedanken über das venezianische Strafrecht schossen mir durch den Kopf. In unserer Hausbibliothek gab es darüber ein dickes Buch, dessen Inhalt an Langeweile durch nichts zu überbieten war. An gewisse Einzelheiten sowie die zur Verdeutlichung angefügten Illustrationen erinnerte ich mich jedoch überaus genau. Etwa an die Bestrafungen, mit denen diverse Vergehen geahndet wurden. Dieben wurde beispielsweise die Hand abgehackt, im Wiederholungsfalle auch gern die Nase abgeschnitten, und bei Verschwörern, Ketzern und Aufrührern kam das Folterseil zur Anwendung, mit dem der Delinquent an den rücklings gefesselten Händen wieder und wieder hochgezogen wurde, bis er alles gestand. Mörder wurden zwischen den Säulen auf der Piazzetta enthauptet oder gehenkt, Ehebrecher und Sodomiten nackt ausgezogen und in einem Schaukäfig am Campanile aufgehängt, je nach Schwere des Falles aber mitunter auch verbrannt, gevierteilt, erdrosselt oder ertränkt.
    »Keine Sorge!«, hatte Rodolfo mir nachgerufen. »In ein paar Tagen bist du wieder frei! Und ich passe so lange auf das Rapier auf !«
    Es fragte sich nur, ob ich in ein paar Tagen noch lebte. Was wohl allein davon abhing, wessen man mich bezichtigte.
    »Wie lautet eigentlich die Anklage?«, wagte ich den Anführer des Trupps zu fragen.
    »Bewaffneter Aufruhr.«
    Aufruhr … Hieß das, ich kam ans Folterseil?
    »Werde ich gefoltert?«
    »Auf alle Fälle kriegst du eins aufs Maul, wenn du nicht still bist, genau wie beim letzten Mal, als wir dich ins Loch gesteckt haben und du dein vorlautes Mundwerk nicht halten konntest.«
    Mir lag auf der Zunge, ihn darauf hinzuweisen, dass ich gar nicht Giovanni Contarini war, sondern nur dessen harmloserDoppelgänger, doch dann wurde mir klar, dass ich mir damit vielleicht eine wie auch immer geartete Vorzugsbehandlung verscherzte. Erfuhren sie erst, dass ich ein bedeutungsloser Niemand vom Lande war, knüpften sie mich möglicherweise sofort auf.
    Folglich ließ ich mich widerspruchslos zum Dogenpalast bringen. Im Innenhof wurde ich von einem der Wachmänner die breite Freitreppe hinaufgeführt und dann die Galerie entlang bis zum Amtsraum von Morosini geschubst, wo der Bewaffnete mir befahl, stehen zu bleiben. Auf sein Klopfen hin öffnete jedoch niemand. »Tja, da hast du dasselbe Pech wie beim letzten Mal«, meinte er mit geheucheltem Bedauern. »Dein Onkel ist nicht da. Also ab in die Giardini 29 mit dir.«
    Er scheuchte mich die Treppe wieder hinunter und dann durch ein Portal in den östlichen Teil des Gebäudes, wo es nach längerem Fußmarsch durch triste Flure und eine sperrige Tür in den Gefängnistrakt ging, eine aus engen Gängen und Verliesen bestehende Baulichkeit. Es zog feucht und eiskalt aus allen Winkeln, und als wäre damit der Eindruck fehlender Gastlichkeit nicht längst vollständig, stank es auch noch wie aus einer offenen Jauchegrube.
    Ein dicker kleiner Kerl in einer schmuddeligen Uniform nahm mir die Handfesseln ab und stieß mich in eine Zelle.
    »Hier ist noch ausreichend Platz für dich, heute ist nicht viel los, weil Himmelfahrt ist«, erklärte er, bevor er das Eisengitter wieder verriegelte.
    Das mit dem ausreichenden Platz konnte er nur im Scherz gemeint haben, denn ich brauchte eine Weile, bis ich dieMänner, die sich bereits an diesem ungastlichen Ort befanden, gezählt hatte. Das musste ich sogar zwei Mal tun, weil ich beim ersten Mal nicht erkannte, dass sich drei von ihnen auf der steinernen Bank, die offenbar als Ruhemöbel diente, zusammendrängten, und nicht zwei, wie ich zuerst annahm. Die übrigen acht saßen auf dem Boden, manche auf zerschlissenen Matten, andere auf zusammengelegten Kleidungsstücken oder Decken. Einer saß auf einem Kübel und gab Geräusche von sich, die auf eine lebhafte Verdauung hindeuteten. Damit war zugleich geklärt, wo der Gestank herkam.
    Die anderen beschäftigten sich mit ähnlich intimen Tätigkeiten. Einer zog sich Läuse aus dem Bart und zerkaute sie, ein zweiter bohrte in der Nase, ein dritter kratzte sich unablässig unter den Armen, ein vierter … Schockiert schaute ich weg. Wie konnte er nur, vor aller Augen!
    Nummer fünf und

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