Der König Der Komödianten: Historischer Roman
bedrohlicher wurde es, als sich zwei weitere Männer zu dem Kerl gesellten, mit geballten Fäusten und locker sitzenden Dolchen.
Elena zupfte an meinem Ärmel. »Lass uns gehen, Marco!«
»Gute Idee«, meinte Rodolfo. »Diese Herrschaften sehen aus, als wäre mit ihnen nicht gut Kirschen essen.«
»Keine Prügelei in meinem Lokal, sonst lasse ich die Wachen holen!«, rief Matilda. »Rauft euch gefälligst draußen!«
»He, da ist ja Contarini!«, kam es aus einer Ecke des Schankraums. »Schön, dass du hergefunden hast!« Die beiden Gecken in Gelb und Rot saßen zusammen mit anderen an einem der roh gezimmerten Holztische und prosteten mir mit ihren Krügen zu. »Giovanni, komm rüber und nimm einen zur Brust mit uns!«, rief der Rote.
»Ich glaube, Giovanni hat Ärger mit diesen Kerlen da«, gab der Gelbe zu bedenken.
»Schlag ordentlich zu, Giovanni!«, forderte mich der Rote auf.
»Das mache ich für ihn«, erklärte der Bursche mit den Zahnlücken. Bevor ich das Schwert ziehen konnte, hieb er mit dem Messer nach mir, doch das war nur einAblenkungsmanöver, denn gleichzeitig rammte er mir von der anderen Seite die Faust ans Kinn, so hart, dass ich zurücktorkelte und mich an der Wand abstützen musste, um nicht zu fallen. Als die wallenden Nebel vor meinen Augen sich verzogen und ich mich wieder dem Angreifer zuwandte, war dieser in ein Handgemenge mit einem anderen Gast verstrickt, den ich vorher noch gar nicht gesehen hatte. Einer seiner beiden Freunde lag flach auf dem Rücken, die Augen glasig und die Hände zwischen die Beine gepresst. Sein zweiter Kumpan wurde von Rodolfo umkreist, der spielerisch seinen Säbel tätschelte. »Soll ich dich aufschlitzen, oder willst du lieber auch einen Tritt in die Eier?«, erkundigte er sich freundlich bei dem Mann.
Weitere Gäste stürzten sich in die Balgerei, sie traktierten einander mit Fausthieben und Fußtritten, aber ich sah auch erhobene Stuhlbeine, wild geschwungene Bierkrüge und Holzbretter. Einer drosch sogar mit einer gewaltigen Salami um sich. Der Geck in Gelb war auf einen Tisch gesprungen und feuerte seinen Freund an, der mit einem stiernackigen Gast einen Ringkampf austrug.
Allenthalben herrschte wildes Getümmel in der Schenke, die Kämpfenden brüllten wüste Beschimpfungen, kein Mensch wusste, wer Freund oder Feind war.
Elena hatte sich an die Wand neben der Eingangstür zurückgezogen, einen Schemel zur Abwehr vor sich haltend. Gleich darauf zeigte sich jedoch, dass sie andere Pläne damit hatte, denn sie sprang vor und stieß die Beine des Möbels einem Kerl in die Rippen, der es anscheinend auf mich abgesehen hatte, was mir jedoch entgangen war, weil er hinter mir stand. Der Knüppel flog ihm in hohem Bogen aus der Hand, und er selbst klappte stöhnend zusammen.
»Danke!«, schrie ich.
»Gern geschehen«, schrie Elena zurück.
In dem ganzen Durcheinander hatte ich bislang noch keinen einzigen Schlag anbringen können, ein beschämendesVersäumnis. Als die Tür der Schenke aufflog und eine Horde angriffslustiger Männer mit Spießen und Knüppeln hereinstürmte, sah ich meine Chance zum Mitkämpfen gekommen. Mit einem Ruck zog ich blank und warf mich ihnen entgegen. »Kommt nur her, ich gebe euch mein Rapier zu schmecken!«
»Wachen!«, brüllte jemand hinter mir.
Schlagartig verstummte der Kampflärm. Die Männer sanken wie von Zauberhand berührt auf ihre Schemel zurück, nirgends waren mehr erhobene Fäuste oder Waffen zu sehen. Aus den Augenwinkeln gewahrte ich, wie Rodolfo sich von Matilda ein Bier reichen ließ.
Einzig ich stand mit verräterisch gezücktem Rapier im Raum, vor mir aufgereiht die Bewaffneten, mit Helm und Harnisch und auch sonst allem ausgestattet, was sie als Ordnungshüter der Serenissima auswies.
Drohend reckten sich mir mindestens vier Spieße entgegen. »Lass das Schwert fallen, oder du bist tot, Junge!«
Ich gehorchte unverzüglich.
»Und jetzt komm brav mit raus und lass dich in Ketten legen.«
»Das ist Giovanni Contarini, der Neffe des Zehnerrats Morosini!«, rief der Geck im roten Wams. Er saß einträchtig mit seinem Freund sowie dem Kerl mit den Zahnlücken am Tisch, und alle drei taten sie so, als würden sie miteinander Karten spielen. Dass dem Zahnlückigen dabei das Blut aus der Nase strömte, schien niemanden zu stören.
»Und wenn er der Doge persönlich wäre«, sagte der Anführer der Bewaffneten. »Er ist verhaftet.«
Die Verlautbarung des Gecken ließ offenbar die Wachleute nicht
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