Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Gestrüpp, das mir von der anderen Richtung her nicht so undurchdringlich vorgekommen war. Auf Krücken hinkte ich hinter ihm her und wich hin und wieder einem zurückschnellenden Zweig aus.
»Seid Ihr sicher, dass das der richtige Weg ist?«, fragte ich nach einer Weile.
»Schweig, du besserwisserischer Knabe.«
»Na ja, die Sache ist die …« Ich blieb stehen und wartete, bis er sich umdrehte. »Wenn die Kutsche nicht inzwischen weitergefahren ist, müssen wir hier entlang.« Diplomatisch lächelnd zeigte ich nach rechts, worauf der Notar mit verkniffener Miene seine Autorität gegenüber seinem Bedürfnis abwog,zur Kutsche zurückzufinden. Grummelnd schlug er schließlich die von mir gewiesene Richtung ein, wo wir nach kurzer Zeit unser Gespann sowie den Prior und den Kutscher vorfanden. Dem Notar missfiel es sichtlich, dass er sich im Wald verlaufen hatte. Auch um Bruder Hieronimos Laune stand es nicht zum Besten, denn er starrte ergrimmt an uns vorbei. Da die beiden sich auch gegenseitig anschwiegen, fragte ich mich, ob sie vielleicht gestritten hatten, wobei die Meinungsverschiedenheit möglicherweise darin bestand, dass es dem einen gefallen hätte, mich an wilde Tiere zu verfüttern, und dem anderen nicht.
Dann war diese Frage mit einem Mal nebensächlich, denn die Kutsche erreichte nach einem kurzen Stück rumpelnder Fahrt die nächste Wegbiegung, wo mich ein faszinierender Anblick erwartete. Unter den Bäumen sah ich zwei Gespanne stehen. Über und über bemalt, leuchteten die Schaustellerwagen in den schräg einfallenden Strahlen der Abendsonne so bunt wie das Fresko in der Kirche unseres kleinen Dorfes. Doch damit erschöpfte sich die künstlerische Ähnlichkeit auch schon, denn nicht mit Heiligenmotiven waren die Wagen und die darüber gespannten Planen verziert, sondern mit weltlichen Gestalten: eine dralle Bauernmagd, die einen Korb mit Früchten trug, eine edel gewandete Dame, die mit Juwelen geschmückt war, ein herausgeputzter Patrizier mit Wappenkette, ein derber Geselle im Dienstbotengewand, ein alter Mann in würdiger Doktorenrobe … Mir gingen die Augen über, während unsere Kutsche an diesen prachtvollen Schaustücken vorüberrollte.
Bei den Wagen tummelten sich die Leute, die ich vorhin auf der Waldlichtung kennengelernt hatte. Der blonde Cipriano und der Bursche, dessen Männlichkeit auf schmerzhafte Weise Bekanntschaft mit meiner Krücke geschlossen hatte – Bernardo –, waren im Begriff, die Pferde anzuschirren, große, behäbige Gäule, ähnlich unseren Zugpferden auf dem Landgut.
Auf dem Bock des vorderen Wagens saß das rothaarige Mädchen Elena und neben ihr der alte Mann; die beiden waren insGespräch vertieft. Die dralle Franceschina warf einen Sack auf die Ladefläche hinter den Sitzen und stieg dann ebenfalls auf.
Gespräch vertieft. Die dralle Franceschina warf einen Sack auf die Ladefläche hinter den Sitzen und stieg dann ebenfalls auf.
Ich reckte den Kopf, bis mir der Nacken schmerzte, doch die noch fehlende sechste Person sah ich nirgends.
Der Prior erwachte aus seinem Schweigen, seine offenbar angeborene Leutseligkeit obsiegte. »Was ist das für ein seltsamer Trupp?«, fragte er niemand Besonderen.
»Das sind Schauspieler«, platzte ich heraus. »Ich traf sie im Wald. Sie wollen nach Padua, um dort ein Stück aufzuführen!«
»Diese Unsitte kommt immer mehr in Mode«, meinte der Notar abfällig. »Allenthalben sieht man herumziehendes Bühnenvolk. Ein Zeichen wuchernder Dekadenz, wenn Ihr mich fragt.«
»Ah, tatsächlich, es sind Theaterleute!« Der Prior beugte sich aus dem Fenster. »Was für ein verrückter Haufen! Einer von ihnen ist verkleidet wie ein griechischer Krieger. Und die Frau dort hinter dem Wagen sieht aus wie eine Nymphe.«
Caterina! Während unsere Kutsche die beiden Gespanne passierte, erspähte ich sie auf der anderen Seite des vorderen Fuhrwerks. Sie saß auf einem Baumstumpf und kämmte ihr herrliches Haar, das Gesicht von entrückter Schönheit, die Augen geschlossen. Mein Herz tat einen Satz, und dann noch einen, und mir blieb die Luft weg, bis die Kutsche abermals eine Wegbiegung erreichte und Caterina meinen Blicken entzogen war. Die restliche Fahrt über störten mich weder Mönch noch Notar. Es gab nur noch mich und meine Träume, und allesamt handelten sie von Caterina.
1 »Denn jedes Mal, wenn er es mit ihr treibt, sind sie beide bestraft: Sie wird von dem Gestank umgehauen, er selbst von der Gicht.« (Catull, Epigramme, Nr.
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