Der König Der Komödianten: Historischer Roman
los war. Die Tür der Kammer stand nämlich immer noch offen, weder Elena noch ichhatten im Eifer des Gefechts auch nur einen Gedanken daran verschwendet. Jederzeit konnten uns auch andere auf die Schliche kommen!
Vorsichtig löste ich ihre Arme von meinem Hals. Sie murmelte im Schlaf, wachte aber nicht auf.
Sanft küsste ich sie auf die Stirn und schlüpfte aus dem Bett. Ich fröstelte, denn es war kühl in dem Raum, und ich hatte keinen Faden am Leib. Hastig suchte ich meine Sachen zusammen und fand dabei die Stoffpuppe, die in der Nacht herausgefallen war. Ich legte sie zurück ins Bett, zog mich an und schlich aus der Kammer in den Portego. Dort regte sich nichts, alle schienen hier oben noch zu schlafen. Ebenso leise, wie ich aufgestanden war, huschte ich die Innentreppe hinab ins Mezzà. Gewiss würde es nicht viel Mühe bereiten, Iseppo alles zu erklären. Er hatte ja schon beteuert, dass unsere Liebe bei ihm sicher sei.
Unsere Liebe … Ich horchte den aufwühlenden Empfindungen nach, die mich gefangen hielten. Mein Kopf war voll davon, genau wie mein Herz, und nicht einmal dort schien der Platz dafür ausreichend zu sein. Sie erstreckten sich bis tief in meine Seele.
Ich hätte jubeln und singen können und fühlte mich so stark wie noch nie. Die Welt war mein, und ich war darin der König.
Behutsam öffnete ich die Tür zu meiner Schlafkammer. Baldassarre und Iseppo lagen im Licht der Stundenkerze entspannt da und schliefen beide. Das doppelstimmige Schnarchen war unüberhörbar. Auch ohne Krankenwache hatte Baldassarre offenbar die Nacht gut überstanden. Darin sah ich ein gutes Zeichen – und Anlass zu der zaghaften Hoffnung, Iseppo möge vielleicht doch nicht entdeckt haben, was Elena und ich getan hatten.
Wieder hörte ich ein Geräusch, und diesmal konnte ich esbesser lokalisieren: Es kam aus der Küche. Franceschina war oft früh auf den Beinen, noch vor dem ersten Hahnenschrei, und bis die anderen aufstanden, hatte sie schon den Haferbrei fertig.
besser lokalisieren: Es kam aus der Küche. Franceschina war oft früh auf den Beinen, noch vor dem ersten Hahnenschrei, und bis die anderen aufstanden, hatte sie schon den Haferbrei fertig.
Kaum hatte ich ans Essen gedacht, als sich auch schon geräuschvoll mein Magen meldete. Wenn Franceschina bereits bei der Arbeit war, hätte sie bestimmt einen Kanten Brot und eine Scheibe Schinken für mich, genau das, was ich jetzt mehr als alles andere brauchte.
»Franceschina?« Ich stieß die Tür zur Küche auf, doch Franceschina war nirgends zu sehen. Dafür sah ich im Licht einer flackernden Talgleuchte Rodolfo am Tisch sitzen, und ihm gegenüber einen hochgewachsenen Mann, der mir den Rücken zuwandte. Und sich nun zu mir umdrehte.
»Potzblitz aber auch«, sagte er. Mit einer Stimme, die ich nur zu gut kannte, weil sie meine eigene hätte sein können.
Ich blickte in das Gesicht meines Doppelgängers.
29 Wörtl. übersetzt »Gärten« – so nannte man euphemistisch die Gefängnisräume, die sich seinerzeit noch im Erdgeschoss des Dogenpalastes befanden, im Gegensatz zu den »Pozzi« (Brunnen) genannten Kerkern, in die kein Tageslicht fiel. Das damals im Bau befindliche neue Gefängnis auf der anderen Kanalseite wurde erst im Jahre 1600 fertiggestellt.
30 Shakespeare, Der Widerspenstigen Zähmung
31 Donnerstag vor dem Rosenmontag
32 Der Name leitet sich von den in diesem venezianischen Stadtbezirk früher betriebenen Gießereien her (il ghetto bezeichnete das flüssige Metall)
33 »Fauler Heinrich«
34 Ausgangssubstanz, die in den Stein der Weisen verwandelt werden sollte
35 Frachtführer in der Galeerenschifffahrt
36 Er ruhe in Frieden
37 Werftarbeiter
Teil 7: Venedig, Mai 1594
Später wurde ich oft gefragt, wie mir zumute gewesen sei, als Giovanni Contarini das erste Mal leibhaftig vor mir stand. Meine Antworten fielen in der Regel ausweichend aus, etwa: »Ich war sehr schockiert!« oder »Das war ein Schreck in der Morgenstunde!«
Nicht, dass das gelogen gewesen wäre. Aber die ganze und für mich nicht sehr schmeichelhafte Wahrheit war es auch nicht. Die bestand nämlich darin, dass ich dachte: »Mein Gott, was für ein hässlicher Kerl bin ich doch!«
Hatte ich wirklich so eine große Nase? Dieser Giovanni konnte glatt als Pantalone durchgehen – ohne Maske! Und schaute auch ich so dämlich drein, wenn ich verblüfft war? Waren auch meine Haare auf so unkleidsame Weise hinter die Ohren gestrichen, dass diese wie geblähte Segel
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