Der König Der Komödianten: Historischer Roman
trug.
Die anderen Sachen hatte ich in meinem Reisesack verstaut; ich hatte sie ordentlich zusammengerollt, ohne zu wissen, ob ich sie je wieder tragen würde, abgesehen von den Zòccoli, die man immer brauchen konnte. Obenauf hatte ich das Decamerone, die Schreibutensilien und meinen Papierstapel gepackt, der seit Padua um einiges geschrumpft war, ohne dass dabei etwas anderes herausgekommen wäre als ein unfertiges Stück.
Cipriano drückte mich voller Rührung an sich und wünschte mir alles Gute. Er sei sicher, ich werde meinen Weg machen, gleichviel wohin. Iseppo weinte unablässig und wollte mich gar nicht mehr loslassen, als wir uns zum Abschied umarmten, doch schließlich musste auch er mich ziehen lassen. Er bestand darauf, dass ich das Lavendelkissen mitnahm. Es sei ein Jammer, dass ich nicht noch eine oder zwei Wochen hätte warten können, dann wären bestimmt die neuen Kissen von seinerMutter eingetroffen. Daraufhin schärfte ich ihm ein, dass er sie verstecken müsse, damit Baldassarre sie nicht zu Gesicht bekäme. Der Alte würde nur wieder Geschäfte damit machen wollen.
Danach ging ich ohne ein weiteres Wort. Bernardo war wieder – oder immer noch – im Vollrausch, von ihm konnte ich mich nicht verabschieden. Baldassarre ruhte schlafend auf seinem Krankenlager; ihn wagte ich nicht zu stören, da er sich womöglich über mein Weggehen aufgeregt hätte.
Vielleicht hatte ich noch gehofft, Elena möge mir Lebewohl sagen, doch sie war nirgends zu sehen.
Mannhaft hielt ich an mich, bis ich eine ausreichende Entfernung zwischen mich und die Ca’ Contarini gelegt hatte. Dann verkroch ich mich unter den nächstbesten Torbogen und weinte, was das Zeug hielt. Ich schluchzte mein ganzes Elend hinaus, wobei unmöglich zu sagen war, was mich am ärgsten bedrückte. Der Tod von Onkel Vittore oder dass Elena mich für überflüssig hielt, dass ich die Incomparabili niemals wiedersehen würde oder dass ich das vermaledeite Stück nicht fertig geschrieben hatte – alles schien mir in diesem Augenblick gleichermaßen schlimm.
Ein Mönch hörte mich weinen und kniete sich mit zum Gebet gefalteten Händen neben mich. »Der Herr nimmt sich der Beladenen und Geschlagenen an, du musst Ihm nur vertrauen, dann spendet Er dir Trost!«
Das hatte immerhin die Wirkung, dass ich schlagartig mit der Heulerei aufhörte, und weil ich den guten Mann nicht vor den Kopf stoßen wollte, betete ich ein Vaterunser mit ihm. Anschließend behauptete ich, dringend fortzumüssen, da ich sonst mein Schiff nicht erreichen werde.
Er nannte mir, nur für alle Fälle, Namen und Sitz seines Klosters, wo mir jederzeit Obdach gewährt werde. Es war ein Dominikanerkloster, was insofern praktisch war, als ganz unten in meinem Reisesack auch noch meine alte Kutte mitsamtUnterkleid steckte, doch das sagte ich natürlich nicht. Höflich dankte ich ihm für seine Anteilnahme und ging weiter.
Mein Weg führte mich dorthin, wo die großen Schiffe lagen. Ich war durchdrungen von der Vorstellung, eines davon zu besteigen und auf Nimmerwiedersehen in die Fremde zu fahren. Seit feststand, dass ich allein in die Welt hinaus musste, war es mir egal, wo ich am Ende landen würde. Mochte es dort ruhig lebensgefährlich sein, es scherte mich nicht. Vielleicht fiel ich unter Menschenfresser. Oder ich wurde von einem wilden Tiger im Dschungel angefallen. Oder mein Schiff sank in einem gewaltigen Sturm inmitten der endlosen Weite des Ozeans. Oder ich fand mich in den Tiefen einer Eiswüste wieder, weit fort im Niemandsland des unerforschten Nordens der Welt, wo nichts gedieh und niemals die Sonne schien.
Nach und nach rückte bei diesen Visionen jedoch der Aspekt des Gefressenwerdens, Ertrinkens und Erfrierens in den Hintergrund. Angenommen, ich kehrte irgendwann unversehrt zurück? Mit einem Mal fand ich sogar Gefallen an dem Gedanken, völlig fremde Gefilde zu erreichen, wohin noch kein Mensch zuvor seinen Fuß gesetzt hatte. Ich könnte ein berühmter Forscher und Entdecker werden, ein Weltenreisender, so wie Cristoforo Colombo, Marco Polo oder Vasco da Gama. Und ich könnte hinterher ein Buch darüber schreiben!
Ganz beseelt von dieser Idee, gelangte ich schließlich zur Riva degli Schiavoni und hielt dort Ausschau nach einem möglichst großen Schiff.
»Willst du als Stauer Geld verdienen?« Die Frage kam von einem der Ausrufer, die ständig Hafenarbeiter suchten und sie im Falle einer Zusage an Ort und Stelle in ihre Listen eintrugen.
Ich wollte
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