Der König Der Komödianten: Historischer Roman
schreiten.«
»Dann war es ein schwerer Fehler, die beiden loszuwerden!«, rief Iseppo entsetzt.
»Im Grunde gibt es nur eines, was Marco tun kann, um sich wieder halbwegs sicher zu fühlen«, sagte Cipriano. »Er muss so schnell wie möglich verschwinden.«
Von Panik erfasst, hätte ich seinen Vorschlag am liebsten sofort befolgt. Der Drang zu fliehen war so stark, dass ich um ein Haar losgelaufen wäre, ohne Gepäck, ohne Pläne, wie es danach weitergehen sollte. Ich musste mich zwingen, ins Haus zu gehen und meine nächsten Schritte zu überdenken.
Nach einer Weile war der Wunsch, so schnell und so weit wie möglich wegzurennen, nicht mehr ganz so übermächtig. Die Vernunft trat wieder in den Vordergrund und befähigte mich, die Sachlage logisch zu beleuchten. Ich konnte nicht einfach so untertauchen, das war ganz ausgeschlossen, denn keinesfalls würde ich Elena und Baldassarre ohne männlichen Schutz zurücklassen. Bernardo war dem Suff verfallen. Rodolfo lag verwundet im Spital, kein Mensch konnte sagen, ob und wann er wiederkäme. Cipriano plante seine Abreise. Und Iseppo … Nun ja, im Falle einer drohenden Gefahr könnte er laut schreien, was besser war als nichts. Aber davon abgesehen war er weit weniger zum Beschützer berufen, als er von sich selbst glaubte – nämlich überhaupt nicht.
»Ich werde mit dir fliehen«, sagte er entschlossen. »Mit meinem Leben werde ich dich beschützen!«
»Das sollte nicht überstürzt werden«, wiegelte ich ab. »Was wird aus Elena und Baldassarre, wenn auch du fortgehst? Ein Mädchen und ein kranker alter Mann – sollen die etwa von einem Trunkenbold behütet werden?«
Das stürzte ihn in ein unlösbares Dilemma, was so weit ging, dass er mit den Tränen kämpfte.
Doch auch ich zermarterte mir den Kopf nach einer Lösung. Ich musste weg, das stand außer Frage, aber bevor ich Elena zurückließ, musste ein anderer Ausweg her.
»Heirate mich und geh mit mir fort!« Mit diesen Worten fing ich sie am Fuß der Innentreppe ab, als sie nach oben gehen wollte.
Sie musterte mich. »Was genau meinst du mit fort ?«
»Na ja, woandershin eben.«
»Das klingt nicht sehr zielstrebig.«
»Das Ziel kenne ich noch nicht«, räumte ich ein. »Aber unterwegs wird es mir sicher einfallen.«
»Du kannst nicht ernsthaft glauben, dass ich meinen Großvater allein lasse.«
»Das habe ich bedacht. Er muss mitkommen.«
»Wenn du das glaubst, bist du erst recht nicht bei Trost. Er ist herzkrank und muss liegen. Vorhin waren seine Lippen schon wieder ganz blau. Jede Reise wäre sein Tod.«
Das traf wohl leider zu und ließ sich daher auch nicht entkräften.
Ich straffte mich. »Dann bleibe ich auch!«
»Warum solltest du das tun? Bist du lebensmüde? Willst du Celsi eine bessere Zielscheibe bieten?«
»Euren Schutz stelle ich über mein Leben.«
Ihre Miene war unbewegt. »Wie kommst du auf den Gedanken, dass du uns Schutz bietest, indem du hierbleibst? Hast du dir schon überlegt, dass das Gegenteil der Fall ist? Dass du damit auch uns in Gefahr bringst? Was wäre, wenn Celsi nicht nur dich umbringt, sondern anschließend auch uns, um unliebsame Zeugen zu beseitigen?« Herausfordernd hob sie das Kinn. »Und nebenbei – vielleicht hast du es noch nicht bemerkt, aber du wirst hier nicht mehr gebraucht. Iseppo kümmert sich um Großvater, mehr männliche Hilfe benötige ich nicht. Cipriano bleibt noch bis zum Redentore-Fest, bis dahin ist auch die Miete bezahlt. Das Geld zum Leben reicht ebenfalls so lange. Danach ziehen wir eben weiter und lassen Großvaters Schulden hinter uns, so wie wir es früher auch immer getan haben. Dich müssen wir nicht unbedingt dabeihaben,denn wo immer du bist, gibt es Ärger. Du bist nur ein zusätzliches Risiko.«
»Aber …« Hilflos brach ich ab. Was hätte ich auch einwenden können? Meine ursprüngliche Aufgabe war entfallen. Als Bühnenhelfer war ich nutzlos, und erst recht als Autor, nicht nur, weil ich das Stück nicht vollendet hatte, sondern weil die Incomparabili nicht mehr existierten. Ich war so überflüssig wie ein Kropf. Schlimmer noch: Ich war ein gefährlicher Kropf.
»Und was ist … mit dir und mir?«, fragte ich stockend. »Was wird aus uns beiden?«
»Es gibt kein wir beide «, sagte sie kühl. Wortlos wandte sie sich von mir ab und ging nach oben.
Für die Reise zog ich mein Capitano-Kostüm an, aber es baute mich kein bisschen auf, dass ich diesmal, anders als bei meiner Ankunft in Venedig, dazu Stiefel und Rapier
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