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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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dem Verlust von Giovanni nicht ertragen!« Morosini sah mich drängend an. »Ich möchte, dass du über etwas nachdenkst, Marco. Nun, da Giovanni nicht mehr auf der Welt ist, stehe ich allein. Mein Leben und Streben hat jeden Sinn verloren. Alles, was ich tat, tat ich für Giovanni. Nun ist er nicht mehr da, damit müssen wir fertig werden!« Er holte tief Luft. »Du könntest seinen Platz an meiner Seite einnehmen! Komm als mein Neffe in mein Haus, lebe sein Leben! Du könntest mir über meine schreckliche Einsamkeit hinweghelfen und zugleich alle Vergünstigungen und Freuden genießen, die dem Spross eines reichen Patriziers gebühren!«
    Seine Miene wirkte beherrscht, doch ich nahm an, dass ihm ähnlich zumute war wie mir – er wollte etwas zurückhaben, das er verloren hatte. Doch im Gegensatz zu mir konnte er sich diesen Wunsch erfüllen, zumindest beinahe: Ich war nicht Giovanni, aber dessen genaues Ebenbild.
    »Ich kann dir Sicherheit und Wohlstand bieten«, sagte Morosini. »Du würdest mir genauso nahestehen wie er, ich werde dich lieben, so wie ich auch ihn geliebt habe!« Sein Blick wurde bezwingend. »Ich bin sicher, dass auch Giovanni es so gewollt hätte!«
    Die Vernunft legte es nahe, sein Angebot anzunehmen, denn was blieb mir sonst? Eine ungewisse Zukunft als Tagelöhner, von Erbschleichern gejagt und von der Hand in den Mund lebend, ohne die geringste Möglichkeit, Elena wiederzusehen.
    Stand ich jedoch unter dem Schutz Morosinis, des reichen und mächtigen Zehnerrats, sah die Sache ganz anders aus. Er könnte beispielsweise dazu beitragen, Baldassarres Schulden bei Celsi zu tilgen. Dann wären Elena und ihr Großvater nicht gezwungen, die Stadt zu verlassen! Vielleicht half er mir sogar, mich gegen Celsi zu behaupten und für mein Erbe zu kämpfen, das Onkel Vittore mir hinterlassen hatte. Allein die Entschlossenheit, mit der Morosini mich vor Aldo gerettet hatte, bezeugte seinen Willen, sich für mich einzusetzen.
    Dennoch hinderte mich eine unerklärliche Zurückhaltung daran, mich mit seinem Vorschlag einverstanden zu erklären. Ob es nun daran lag, dass gleich darauf die Ordnungshüter eintrafen und eine Menge Fragen stellten, oder daran, dass ich noch zu aufgewühlt war – jedenfalls hielt ich es für besser, mich erst einmal zu beruhigen, bevor ich weitreichende Entscheidungen traf.
    Morosini nickte, als ich ihm das mitteilte. Sein Lächeln fiel jedoch leicht bemüht aus. »Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Alles wird gut. Wir müssen nur beide daran glauben.«

    Nach den Geschehnissen des Tages fühlte ich mich merkwürdig zerrissen. Ein Teil von mir war immer noch wie gelähmt, doch zugleich verspürte ich eine Rastlosigkeit, die mich nicht zur Ruhe kommen ließ.
    Vielleicht hätte es geholfen, die ganze Wut auf das Schicksal herauszubrüllen, und tatsächlich stand ich mehrmals kurz davor, doch ein derartiger Ausbruch hätte mir nur Ärger mit Michele und Silvestro eingetragen, die nach einem ausgedehnten Frühschoppen auf ihren Matratzen dem Abend entgegenschnarchten.
    Ich beschloss, mich mit Lesen abzulenken, das half mir meist, auf andere Gedanken zu kommen. Als ich das Decamerone aus meinem Reisesack holen wollte, rutschte mir der Papierstapel entgegen und landete auf meinen Knien. Alles Weitere entzog sich meinem Einfluss. Wie von allein fassten meine Finger nach der Feder, rührten die Tinte, legten ein Blatt zurecht.
    Ehe ich mich versah, hatte ich die erste Seite vollgeschrieben. Ich schrieb und schrieb und schrieb immer weiter, es war wie ein Rausch, in dem ich den nächsten Absatz schon sehen konnte, bevor ich ihn fertig ersonnen hatte. Fast so, als sei ich besessen. Etwas Machtvolles wogte in mir und diktierte mir Zeile für Zeile den dritten Akt meines Stücks. Hatte ich je an meiner Inspiration gezweifelt, so wurde ich durch diese fremde Macht eines Besseren belehrt.
    Die Geschichte, so begriff ich während des Schreibens, war die ganze Zeit schon da gewesen. Tief in mir hatte sie geruht und darauf gewartet, dass ich sie hervorholte. Sie war wie eine vollendete Statue, die noch in einem gewaltigen Brocken von Marmor gesteckt hatte, umhüllt von einer ungeschliffenen Gesteinsschicht, und ich war der Bildhauer, meine Feder der Meißel. Nun hämmerte ich sie wie von Sinnen heraus, Schlag auf Schlag, Wort für Wort.
    Leandro hat alle Anfeindungen und Rückschläge überlebt.Er verdient als Arbeiter sein hartes Brot, um weiterhin in Aurelias Nähe bleiben zu können. Der

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