Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Schmerz über den grausamen Tod Flavios wiegt schwer, doch die Liebe zu Aurelia birgt Hoffnung, ebenso wie die Loyalität des Dottore, der sich vom vermeintlichen Giftmischer zum Freund gewandelt hat und Leandro dabei hilft, die wirklichen Feinde zu besiegen und Aurelia zu gewinnen …
Es war nicht genug. Die Macht in mir wollte Verse schmieden. Ein neues Sonett strömte aus meiner Seele direkt in die Feder, mischte sich mit meinen Tränen und floss aufs Papier. Leandro gesteht Aurelia mit diesen Worten seine unsterbliche Liebe. Sie kann nicht anders, als ihn zu erhören.
Die Feder rutschte mir aus der Hand. Jäh von Erschöpfung übermannt, sank ich auf mein Lager. Ich bettete den Kopf auf das mittlerweile sehr mitgenommene Lavendelkissen. Außerstande, auch nur einen weiteren Gedanken zu fassen, fiel ich in tiefen, traumlosen Schlaf.
»Marco, wach auf!« Michele rüttelte mich. Orientierungslos fuhr ich hoch. Um ein Haar hätte ich ihm einen Fausthieb verpasst. Einen Moment lang hatte ich geglaubt, Aldo wolle mir an die Kehle.
»Was ist los?«, fragte ich schlecht gelaunt.
»Ein alter Mann will mit dir sprechen.«
»Alt? Das will ich nicht gehört haben.« Hinter ihm tauchte Baldassarre auf, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. »Gott zum Gruße, Marco.«
In heller Freude sprang ich auf. »Messèr Baldassarre! Wie habt Ihr mich gefunden?«
»Das war leicht. Eine gewisse Dame, die an einer gewissen Brücke wohnt, führt zugleich auch eine Schenke …«
»Damit kann nur Bürsten-Matilda gemeint sein«, warf Michele ein.
»Richtig. Und in besagter Schenke wusste eine gewisse Tänzerin zu berichten, dass Marco neulich mit zwei Hafenarbeitern dort war, von denen bekannt ist, dass sie hier wohnen.«
»Dafür, dass du so alt bist, funktioniert dein Verstand noch gut«, befand Michele.
»Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich dir den Zusammenhang zwischen einem verjüngenden Bad und immerwährendem Denkvermögen erklären«, versetzte Baldassarre leichthin, worauf Michele grübelnd an die Decke starrte, in der berechtigten Annahme, die Bemerkung nicht ganz verstanden zu haben. Statt jedoch nachzufragen, kratzte er sich bloß hinterm Ohr, wie immer, wenn er etwas nicht begriff. Er kratzte sich ziemlich oft, sodass ich anfangs sogar befürchtet hatte, er habe Läuse, bis ich dahintergekommen war, dass er einfach nur dumm war. Von einer gewissen Brücke auf Matilda zu schließen, bedeutete bei ihm bereits ein Höchstmaß intellektueller Leistung.
Baldassarre rümpfte die Nase. »Mir will scheinen, du hast seit Langem kein Bad genommen.«
»Soll das heißen, ich stinke?«, fragte Michele. »Willst du eins aufs Maul?«
»Er meinte mich«, sagte ich zu ihm. »Und er hat recht.«
Michele wusste nicht, was er davon halten sollte, also kratzte er sich abermals hinterm Ohr, während ich Baldassarre unterfasste und ihn aus der ohnehin viel zu engen Kammer zog. Ich war begierig darauf, mit ihm zu sprechen, doch meine beiden Wohngenossen musste ich nicht unbedingt dabeihaben.
»Warte«, sagte Baldassarre. »Nimm frische Sachen mit.«
Es erübrigte sich, ihn zu fragen, warum ich das tun sollte. Ohne zu zögern, holte ich saubere Kleidung aus meinem Reisesack.
Tatsächlich war es höchste Zeit für ein Bad.
Eine Weile gingen wir einfach nur schweigend nebeneinander her. Ich war so glücklich, bei ihm zu sein, dass mir all der Kummer der letzten Zeit mit einem Mal nur noch halb so schlimm erschien.
Auf der Suche nach einem unverfänglichen Thema eröffnete ich schließlich das Gespräch. »Was macht der Ofen?«
»Brennt und brennt. Und stinkt. Aber das gehört dazu.«
»Ist die Transmutation denn noch nicht abgeschlossen?«
»Noch nicht ganz. Aber der rechte Zeitpunkt ist nicht mehr fern. Er muss nur noch abgewartet werden.«
Unzählige Fragen lagen mir auf der Seele. Mehr als alles wollte ich ihn bestürmen, mir von Elena zu erzählen. Von dem Jungen erfuhr ich immer nur, was sie außerhalb des Hauses tat, während das, was im Inneren geschah, mir verborgen blieb. Dabei wollte ich viel mehr wissen. Etwa, ob sie das geplante Bild gemalt hatte. Ob sie manchmal über mich redete. Ob sie mich vielleicht doch ein kleines bisschen vermisste.
Ich wollte auch nach den anderen fragen, nach Iseppo, Rodolfo, Cipriano, Bernardo. Wollte wissen, ob es ein Lebenszeichen von Franceschina gab. Ob Caterina zur Truppe zurückkehren wollte. Ob Henry weiterhin zu Besuch kam und Cipriano immer noch nach England mitnehmen
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