Der König Der Komödianten: Historischer Roman
hundert Mal auf mich genommen, statt ihr die Hiobsbotschaft zu überbringen.
Unterwegs kam ein großer Hund aus einer Gasse gesprungen und schloss sich mir an.
Er blieb vor mir stehen, bellte kurz, schnüffelte zwischen meinen Beinen herum und hechelte treuherzig, als ich ihn wegschob und ihm dabei den Nacken kraulte. Sein wolliges Fell war dunkel wie die Nacht, er hatte gewaltige Pfoten, hängende Ohren und einen dicken Kopf.
»Na, was willst du denn, du Ungetüm? Hast du Hunger? Ich habe leider nichts für dich dabei.«
Mit hängender Zunge trottete er hinter mir her, als ich weiterging, und er blieb auch an meiner Seite, als ich mein Ziel erreichte, vermutlich in der Hoffnung, es gäbe noch Futter.
Als ich um die Stunde der Komplet vor der Pforte der Ca’ Contarini stand und den Türklopfer betätigte, war es fast, als sei ich nie fort gewesen.
»Wer da?«, fragte Iseppo von drinnen.
»Ich bin es«, sagte ich.
»Marco!«, schrie er. Die Tür flog auf, und wir lagen uns in den Armen. Iseppo weinte mein ganzes Hemd nass und konnte sich kaum beruhigen, während er in meinen Kragen stammelte, welche Ängste er meinetwegen ausgestanden habe. Er hatte mich weit weg in einem fremden Land gewähnt und sich in allen Einzelheiten ausgemalt, was mir dort an Grausamkeiten widerfuhr. Dabei hatte seine Vorstellungskraft kaum hinter meiner zurückgestanden – er hatte sogar an Menschenfresser gedacht.
Der Hund schob ihm den Kopf zwischen die Beine und kläffte freundschaftlich.
»Was ist das für ein monströser Hund?«, wollte Iseppo wissen. »Ist er dein neuer Beschützer? Darauf abgerichtet, Angreifer zur Strecke zu bringen?«
Der Einfachheit halber nickte ich, denn anderenfalls hätte Iseppo mir gewiss vorgehalten, mich unnütz in Gefahr zu begeben, indem ich allein in Venedig herumlief.
»Taugt er auch als Spürhund?« Iseppo schaute kläglich drein. »Baldassarre ist nämlich wieder einmal verschwunden. Wie immer hatte ich mich nur für einen Moment umgedreht, und schwupps , war er weg.«
»Iseppo …«
Ich verstummte, denn in der Tür zum Mezzà tauchte Rodolfo auf.
»Marco!«, sagte er verblüfft. »Was zum Henker tust du hier?«
Er erschien mir kleiner und dünner als vor seiner Verletzung; er hatte viel von seiner kraftstrotzenden Vitalität verloren. Doch sein Schritt war fest wie eh und je, als er auf mich zukam und mich liebevoll in die Seite knuffte. »Es tut gut, dich zu sehen, mein Junge.«
Prüfend blickte er zu mir auf und erkannte, dass ich schlechte Nachrichten brachte.
»Was ist los?«, fragte er.
Ich holte Luft. »Baldassarre ist tot.«
Iseppo gab einen erstickten Laut von sich. Die Hand auf den Mund gepresst, begann er zu schluchzen.
Cipriano kam aus dem Haus. »Baldassarre?«, fragte er ernst.
Ich nickte. »Er kam mich abholen. Wir gingen gemeinsam ins Badehaus. Er starb im Zuber.«
»Das hat er sich immer gewünscht«, sagte Cipriano.
Ich nickte und wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Es ist meine Schuld!«, weinte Iseppo. »Ich hätte besser aufpassen müssen!«
Cipriano schüttelte den Kopf. »Nein. Seine Zeit war gekommen, und er wusste es.«
Iseppo schluchzte laut, er ließ sich nicht beruhigen. Cipriano trat zu ihm und nahm ihn in den Arm. »Mir fehlt er auch«, sagte er leise. »Er war die Seele der Incomparabili.«
Bernardo erschien oben auf der Treppe zum Piano Nobile. Sein Gesicht war aufgedunsen vom Alkohol, die Augen rot gerändert. »Was herrscht hier für ein Auflauf ?«, wollte er krächzend wissen.
Hinter ihm tauchte Elena auf. Sie drängte ihn zur Seite, sah uns unten im Hof stehen und schrak zusammen, als sie meiner ansichtig wurde. Lautlos formten ihre Lippen meinen Namen. Dann erst wurde sie gewahr, dass etwas nicht stimmte. Mein verzweifelter Blick traf den ihren, und in dem Moment begriffsie, was passiert war. Sie schüttelte heftig den Kopf, als könne sie das Unabänderliche wegleugnen, und sie presste die Lippen zusammen, wie immer, wenn sie etwas von sich weisen wollte. Mit geballten Fäusten stand sie da, die Augen riesig in dem schmalen Gesicht.
Alles in mir drängte danach, zu ihr zu eilen und sie in die Arme zu schließen. Seit Onkel Vittores Tod wusste ich nur zu gut, wie weh es tat, einen geliebten Menschen zu verlieren. Ich erinnerte mich noch genau, wie sehr ich in den Wochen nach seinem Tod gelitten hatte. Sie würde eine schreckliche Zeit durchmachen, und ich wünschte, ich hätte es ihr irgendwie ersparen können.
Mit steifen
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