Der König Der Komödianten: Historischer Roman
den ich geflissentlich ignorierte.
»Wie auch immer, das Stück klingt sehr spannend!«, sagte Henry mit aufrichtiger Bewunderung zu Bernardo. »Ein eifersüchtiger Maure in Venedig! Darauf muss man erst kommen! Ihr seid ein wirklich geübter Autor!«
»Ich weiß.« Bernardo rülpste und stand auf. »Muss mal raus«, nuschelte er, während er sich an den anderen vorbeischob. Kurz darauf folgten zuerst Franceschina und dann Caterina seinem Beispiel, und ich verspürte wenig später ebenfalls das Bedürfnis, mich zu erleichtern, weshalb ich es ihnen nachtat und nach draußen ging. Die Latrinen waren alle besetzt, deshalb schlug ich mich unweit des Gasthauses in die Büsche.
Sie standen zu dritt unter einer Trauerweide und stritten, was das Zeug hielt. Wegen der herabhängenden Äste und der Dunkelheit, die nur dürftig von den Fackeln bei der Herberge erhellt wurde, waren sie zwar nicht zu sehen, doch dafür umso besser zu hören.
»Du hast schon wieder herumpoussiert!«, sagte Bernardo voller Zorn. Es klang nicht mehr ganz so verwaschen wie vorhin in der Schenke, offenbar hatte die frische Luft ihn ein wenig ernüchtert.
»Du siehst Gespenster«, sagte Caterina.
»Von wem hast du das Tuch?«
»Ich sagte doch, ich habe es gefunden.«
»Und warum trägst du es wie ein Liebespfand am Gürtel?«
»Weil es ein sehr gutes Tuch aus reiner Seide ist. Und wo sonst sollte man ein gutes Tuch tragen als am Gürtel, wo es jeder sieht?«
»Reg dich nur nicht so auf, Bernardo«, sagte Franceschina bittend. »Das verleitet dich nur wieder dazu, mehr zu trinken, als du verträgst, und du weißt, wie schlecht du dich dann hinterher immer fühlst!«
»Wieso musst du dich eigentlich immer in alles einmischen?«, wollte Caterina wissen.
»Ich kenne ihn länger als du und weiß, was er braucht!«
»Und ich bin seine Frau. In guten wie in schlechten Tagen!«
»Hauptsächlich in schlechten«, sagte Bernardo grollend.
»Siehst du!«, rief Franceschina triumphierend. »Er wäre ohne dich besser dran!« Sie wandte sich an Bernardo. »Es wird wirklich Zeit, dass du sie wegschickst. Eure Ehe ist sowieso nicht gültig. Der Priester war sturzbetrunken, sie hatte keine Erlaubnis ihrer Eltern, das alles war von Anfang an doch nur eine idiotische Posse!«
»Schweig, du dummes Weib!«, donnerte Bernardo. »Scher dich weg und lass uns in Ruhe! Caterina hat recht! Sie ist meine Frau, und ich bin ihr Mann, wir gehören zusammen!«
Franceschina gab einen unterdrückten Schluchzer von sich und lief davon. Sie kam so nah an mir vorbei, dass ich ihr verzweifeltes Gesicht sehen konnte. Rasch duckte ich mich, doch sie bemerkte mich gar nicht.
Unterdessen waren Bernardo und Caterina weit davon entfernt, ihren Zwist beizulegen.
»Eine schwangere Frau sollte man nicht so anbrüllen«, sagte Caterina leichthin. »Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
»Schwanger?«, sagte Bernardo. »Wie kommst du darauf ?«
»Nun ja, du verschläfst es zumeist, aber du musst gesehen haben, wie oft sie kotzt!«
»Sie sagte, sie hätte ein Magenleiden!«
»Bei den Mengen, die sie zwischen ihren Übelkeitsanfällen in sich hineinstopft?« Caterina lachte. »Mein Lieber, ich teile in den meisten Nächten die Kammer mit ihr. Wir waschen und kleiden uns im selben Raum an und aus. Gewisse Dinge bemerkt man an einer Frau rasch, und diese besondere Sache gehört dazu.« Sie hielt inne, dann fragte sie gelassen: »Ich nehme an, du bist der Vater?«
»Was?«, stieß Bernardo hervor. »Bist du von Sinnen?«
Ich glaubte förmlich zu sehen, wie Caterina die Achseln zuckte. »So viele andere kommen nicht infrage. Baldassarre ist zwar noch rüstig, aber doch nicht Franceschinas Geschmack. Und was Cipriano angeht, so ist Franceschina ganz gewiss nicht sein Geschmack. Es kämen natürlich noch Burschen aus Bologna in Betracht, dort gastierten wir immerhin fast drei Monate, aber nie sah ich einen in ihrer unmittelbaren Nähe. Sie hielt sich eigentlich beständig immer nur in der Nähe eines einzigen Mannes auf.«
»Du redest Unfug, Frau!«
»Und du könntest betrunken gewesen sein. Genau wie der Priester bei unserer Hochzeit. Franceschina hat recht: So manches, was lebenslange Konsequenzen nach sich zieht, geschieht im Suff.«
»Schweig, oder ich erwürge dich!«
Ich richtete mich auf und machte mich zum Eingreifen bereit.
»Du willst mich umbringen?«, fragte Caterina. »Muss ich mich jetzt fürchten?« Es klang nicht die Spur ängstlich, im Gegenteil, sondern eher …
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