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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Mann ist.«
    Mir fiel die Schreibfeder aus der Hand. Das war Bernardo!? Ich starrte die Frau an, und tatsächlich – wenn man es wusste, war es sofort zu erkennen. Der mürrische Gesichtsausdruck, die edle römische Nase, der von der Schminke überdeckte Bartschatten … Und doch wäre ich niemals auf den Gedanken gekommen, ihn hinter dieser Maskerade zu vermuten.
    Rasch hob ich die Feder wieder auf und begutachtete meine Notizen. Irgendeiner der Mitspieler könnte sich als Frau verkleiden, nur welcher? Vielleicht der Notar?
    Baldassarre hatte recht, nichts war komischer als das wirkliche Leben.
    Ich hielt inne, denn mir kam eine ungeklärte Frage in den Sinn. »Eines verstehe ich dennoch nicht«, sagte ich zu Cipriano. »Wieso hat Baldassarre überhaupt die Gespanne verkauft?«
    »Weil er fand, es sei für die Incomparabili an der Zeit.«
    »Zeit wofür? Aufzuhören?«
    »Nein. Nach Venedig aufzubrechen.«

    In ungebrochenem Eifer ersann ich Konflikte und Szenen, stellte mir Kostüme und Requisiten vor und versuchte bei den Beschreibungen der Auftritte sogar das Problem der notwendigen Doppelrollen zu lösen – schließlich konnten ja für ein neues Stück der Incomparabili nicht beliebig viele Darsteller eingeplant werden.
    Hin und wieder blickte ich auf und ließ mich von der Schönheit der Flussauen ablenken. Nichts störte mich, weder das Geschwätz der übrigen Reisenden, das sich in meinen Ohren zu einem Strom endlosen Gemurmels verdichtet hatte, noch die gelegentlichen Blicke der Incomparabili, die durchweg wohlwollend ausfielen. Nur Bernardo schaute gewohnt griesgrämig drein. Doch dann bemerkte ich, dass er nicht einfach nur verstimmt war, sondern dass ihm Schmerzen zu schafften machten. Den linken Arm hielt er die ganze Zeit in derselben Haltung vor dem Körper und bewegte sich auch sonst kaum. Caterina saß bei ihm und reichte ihm hin und wieder ein Stück Brot oder eine Flasche, was er sich ohne sichtbares Zeichen von Dankbarkeit gefallen ließ. Franceschina saß an seiner anderen Seite, dicht am Bootsrand. Einmal beugte sie sich darüber, um auszuspucken, was sie gegessen hatte. Mittlerweile fragte ich mich, ob sie an einer Krankheit litt. Doch auch einige der anderen Mitreisenden waren reichlich grün um die Nase; anscheinend vertrug nicht jeder die Fahrt auf dem Wasser, obwohl das Schiff sich infolge der gleichmäßigen Strömung recht ruhig vorwärtsbewegte.
    Nach einem weiteren Zwischenhalt legten wir am Abend in einem Dörfchen an, wo einige Reisende ihr Ziel bereits erreicht hatten und andere dafür am nächsten Morgen zusteigen würden. Die Übrigen konnten in einer Herberge Quartier beziehen oder wahlweise auch auf dem Boot schlafen. Cipriano verkündete, dass die Truppe sich wegen des unverhofften pekuniären Zugewinns richtige Betten gönnen würde, was ich angesichts der unbequemen Umstände, unter denen ich die vergangenen Nächte verbracht hatte, sehr begrüßte.
    Das Gasthaus lag direkt am Brentakanal und bot eine ausreichende Anzahl von Kammern sowie ein warmes Abendessen im großen Schankraum, wo sich bereits die Gäste drängten, als wir dazukamen. Wir ergatterten einen freien Tisch und ließen uns von der Schankmagd mit Getränken und einer zünftigen Mahlzeit versorgen.
    Elena, die neben mir saß, musterte mich von der Seite. »Du hast heute viel geschrieben. Ist das Stück über Don Juan de Austria schon fertig?«
    »Der spielt nicht mehr die Hauptrolle, und es wird auch keine Tragödie«, sagte ich, wobei ich Bernardos bohrenden Blicken auswich. Die Verkleidung hatte er genau wie ich in einem unbeobachteten Winkel abgelegt und war nun wieder ganz der Alte, auch in anderer Hinsicht: Er hatte einen großen Becher Grappa vor sich stehen. Caterina hatte eine spitze Bemerkung darüber gemacht, doch Franceschina war ihr über den Mund gefahren und hatte erklärt, Bernardo brauche das jetzt, nach allem, was er wegen Caterina an diesem Tag durchgemacht habe, vor allem aber auch gegen die Schmerzen in der Schulter.
    Als er von meinen geänderten Plänen hörte, setzte er zum Widerspruch an, doch dann nahm er nur einen tiefen Schluck von dem Schnaps und starrte anschließend brütend ins Leere.
    »Was genau hast du denn heute geschrieben?«, wollte Elena wissen.
    Ich überwand meine Scheu, vor den anderen darüber zureden, und erzählte es ihr. Hin und wieder warf ich Bernardo einen verstohlenen Seitenblick zu, doch er erhob keine Einwände. An der einen oder anderen Stelle nickte er sogar,

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