Der König der Lügen
Anziehen«, sagte ich und ging an ihr vorbei. Sie folgte mir ins Bad.
»Das ist sie, nicht wahr?«
»Wer?«
»Dieses Luder. Sie hat dich gegen mich aufgehetzt.« Ich drehte mich um und sah sie eisig an. »Von welchem Luder ist die Rede?«
»Spiel keine Spielchen mit mir. Ich lasse mich nicht zum Gespött machen, und ich werde dich nicht an irgendeine inzüchtige Landschlampe verlieren.«
»Ich kenne niemanden, auf den diese Beschreibung passt, und wenn ich es täte, hätte es nichts mit ihr zu tun. Hier geht es um mich! Hier geht es um uns! Um Entscheidungen und Prioritäten. Verdammt, es geht darum, die Augen aufzumachen und die Wahrheit zu sehen, in der wir ertrinken! Unser Leben ist ein Witz. Wir sind ein Witz. Kannst du das nicht sehen? Kannst du es nicht zugeben, nicht mal vor dir selbst? Wir sind nur noch aus Gewohnheit zusammen, weil wir nicht zugeben können, dass wir einen Fehler gemacht haben, und weil die Wahrheit so verflucht hart ist.«
»Die Wahrheit!«, schnaubte sie. »Du willst die Wahrheit? Na, hier ist sie. Du glaubst, du brauchst mich nicht mehr. Du kriegst eine Menge Geld, und jetzt kannst du losziehen und mit deiner kleinen Farmernutte durchbrennen.«
»Was für Geld?«
»Das ist witzig, Work. Wir haben zehn Jahre lang in Armut gelebt, und jetzt, wo ein Ende absehbar ist, bin ich dir nicht mehr gut genug. Ich lese Zeitung. Ich weiß, dass Ezra dir fünfzehn Millionen hinterlassen hat.« Es war so absurd, dass ich lachen musste. »Zunächst mal nur du kannst finden, dass wir in Armut gelebt haben, und wenn ich dir zehnmal jeden Cent gegeben habe, den ich verdient habe.
Und was Ezras Testament angeht — von dem Geld werde ich nie etwas zu sehen bekommen.«
»Das stimmt, denn ich bin dein Alibi, und du kotzt mich an.«
»Ich will kein Alibi. Ich brauche keins. Geh und wahre deinen beschissenen Schein. Aber lass mich aus dem Spiel.«
Ein kristallenes Schweigen senkte sich zwischen uns. Sie wandte mir den Rücken zu, während ich mich anzog. Ich war bei den Socken, als Barbara wieder sprach. »Ich glaube, wir haben uns beide ein bisschen hinreißen lassen. Ich will nicht streiten, und ich weiß, dass du sehr aufgewühlt bist. Vielleicht projizierst du es auf mich, ich weiß es nicht. Lass uns einfach einen Schritt zurückgehen.«
»Okay«, sagte ich. »Von mir aus.« Ich schob die Füße in meine verschrammten Lederschuhe und schnallte mir den Gürtel zu.
»Lass uns diese Probleme hinter uns bringen, und dann können wir unsere Situation ein wenig gelassener betrachten. Wir sind schon lange zusammen. Dafür muss es einen Grund geben. Ich glaube, wir lieben uns immer noch. Ich fühle es. Wenn alles hinter uns liegt und wir keine Geldsorgen mehr haben, sieht alles anders aus.«
»Es wird kein Geld geben, Barbara. Ich müsste meine Seele dafür verkaufen und opfern, was von meinem Leben noch übrig ist, und das kann ich nicht. Diesen letzten Lacher gestatte ich ihm nicht.«
»Welchen letzten Lacher? Von wem redest du? Herrgott, Work. Es geht um fünfzehn Millionen Dollar!«
»Von mir aus könnte es eine Milliarde sein, es ist mir egal.« Ich schob mich an ihr vorbei. »Wir können später weiterreden. Aber ich weiß nicht, was es noch zu sagen gibt.«
»Das liegt am Zeitpunkt, Work. An der Situation.« Sie lief mir durch das Haus nach. »Es vergeht alles. Du wirst sehen. Es wird besser.«
Ich ging durch die Küche und nahm meinen Schlüssel und meine Brieftasche. »Ich glaube nicht, Barbara. Diesmal nicht.«
Dann war ich draußen in der Einfahrt, und Barbara füllte die Tür aus.
»Du bist mein Mann, Work. Lass mich nicht einfach stehen.« Ich startete den Motor. »Verdammt! Du bist mein Scheiß-Ehemann!«
Als ich wegfuhr, wusste ich, dass meine Frau in einem Punkt Recht hatte: Alles vergeht.
DREIUNDZWANZIG
I ch fuhr ins Büro, denn ich musste etwas tun. Wenn ich nichts täte, würde ich trinken, und wenn ich tränke, wäre ich bald betrunken. Der Gedanke stieß mich ab, weil er so verlockend war. Aber Alkohol war auch nichts weiter als krasser Eskapismus, genau wie Verleugnung und Selbsttäuschung.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, ohne das Chaos zu beachten, und suchte die Nummer des Leichenbeschauers in Chapel Hill heraus. Er war ein Ex-Footballspieler, ein Ex-Raucher und ein Ex-Ehemann. Er war gut als Rechtsmediziner und anständig im Zeugenstand. Wir hatten uns schon in mehreren Fällen miteinander beraten und kamen gut miteinander aus. Und er hatte keine Angst vor
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