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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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verlassen, einfach so, nach fast zehn Jahren. Und du hast Barbara geheiratet. Das hätte mich fast umgebracht, aber ich habe es verkraftet. Ich war über dich hinweg. Dann hast du angefangen vorbeizukommen — einmal im Monat, zweimal im Monat, aber das war mir egal. Du warst da, wieder bei mir, und alles andere war unwichtig. Ich wusste, dass du mich liebtest, selbst wenn du mich benutzt hast. Dann verschwand Ezra, und du bist auch in dieser Nacht zu mir gekommen, in der Nacht, als deine Mutter starb. Ich habe dir alles gegeben, was ich hatte. Ich habe dich gehalten. Ich habe mich in dich hineinfließen lassen und deinen Schmerz zu meinem gemacht. Erinnerst du dich?«
    Ich konnte ihr kaum in die Augen sehen. »Ich erinnere mich.«
    »Ich dachte, wenn Ezra nicht mehr da ist, wirst du dich wiederfinden — den Jungen, in den ich mich verliebt hatte. Ich habe es mir so sehr gewünscht. Ich habe mir gewünscht, dass du stark bist, und ich habe geglaubt, dass du es sein wirst, und so habe ich gewartet. Aber du bist nicht gekommen. Anderthalb Jahre habe ich kein Wort von dir gehört, kein Zeichen bekommen, und ich musste mich damit abfinden, dich noch einmal zu verlieren. Anderthalb Jahre, Jackson! Und fast hätte ich es geschafft. Doch dann, du Dreckskerl, bis du wiedergekommen, letzte Woche, und trotz allem habe ich zugelassen, dass mein Glaube zurückkam. Und warum nicht?, habe ich mich gefragt. Du hast es ja gefühlt. Achtzehn Monate, und noch immer dieselbe Leidenschaft, als wäre überhaupt keine Zeit vergangen. Aber es war Zeit vergangen. Ich hatte mich endlich zusammengenommen, war weitergegangen. Ich hatte ein Leben. Ich war so glücklich damit, wie ich es nur je hatte erhoffen können. Seligkeit war es nicht, aber ich konnte jedem Tag ins Auge sehen. Dann bist du aufgetaucht, aus heiterem Himmel, und du hast mich auseinandergerissen.«
    Sie sah mich an. Ihre Augen waren trocken. »Ich glaube nicht, dass ich dir das verzeihen kann. Aber es hat mich etwas gelehrt, eine hässliche, brutale Lektion, die ich mir zu Herzen genommen habe.«
    »Bitte hör auf«, sagte ich, doch sie redete rücksichtslos weiter, und ihre Worte durchbohrten mich.
    »Es gibt etwas Unangreifbares in dir, Jackson, einen Teil von dir, der wie eine Mauer zwischen uns steht, hoch und dick, und es tut weh, wenn ich daran stoße. Ich habe Blut an dieser Mauer hinterlassen. Ich kann nicht mehr dagegen anrennen. Ich will es nicht mehr.«
    »Und wenn du es nicht mehr musst?«
    Vanessa sah mich überrascht an. »Du gibst zu, dass es die Mauer gibt?«
    »Ich weiß, woraus sie besteht«, sagte ich.
    »Woraus?« Ihre Stimme klang zweifelnd.
    »Wenn ich es einmal gesagt habe, kann ich es nicht mehr zurücknehmen. Es ist hässlich, und ich schäme mich dafür, dass ich nie versucht habe, es dir zu sagen.«
    »Warum hast du es nicht getan?«
    Ich zögerte. »Weil du mich dann nicht mehr lieben wirst.«
    »So schlimm kann es nicht sein.«
    »Noch schlimmer. Es ist der Grund für alles, was schlecht ist zwischen uns. Der Grund, weshalb ich mich dir nicht öffnen kann. Warum ich mich von Ezra habe überreden lassen, Barbara zu heiraten. Weil ich es dir nicht sagen konnte. Selbst jetzt macht es mir Angst.« Ich sah ihr in die Augen und wusste, dass ich noch nie so nackt gewesen war. »Du wirst mich dafür hassen.«
    »Wie kannst du das annehmen?«
    »Weil ich mich selbst dafür hasse.«
    »Sag das nicht.«
    »Aber es stimmt.«
    »Um Gottes willen, Jackson. Warum?«
    »Weil ich dich im Stich gelassen habe, als du mich am nötigsten gebraucht hast, und weil der Grund dafür, dass du mich liebst, eine Lüge ist.« Ich langte über den Schreibtisch und nahm ihre Hand. »Ich bin nicht der, für den du mich hältst, Vanessa. Ich war es nie.«
    »Du irrst dich. Was immer du da denkst, du irrst dich, denn ich weiß genau, wer und was du bist.«
    »Weißt du nicht.«
    »Doch.« Sie zog ihre Hand zurück. »Du bist nicht so kompliziert, wie du glaubst.«
    »Willst du es hören?«
    »Ich muss es hören.« Das verstand ich. Es gab einen Unterschied zwischen Wollen und Müssen. Ihren tapferen Worten zum Trotz wollte sie es nicht hören.
    Ich ging um den Tisch herum, und sie erstarrte. Ich hatte Angst, sie könnte sich abwenden, aber eine animalische Stille hielt sie fest. Sie schrumpfte in sich zusammen, und ihre Augen wurden zu glasigen Spiegeln. Dann füllte ich den Raum vor ihr aus, ein unbeholfener Riese, und im Schatten ihrer offenen, nackten Seele sah ich die

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