Der König der Lügen
Angst zu haben. Aber ich wusste, wie das für die Polizei aussehen würde. Wenn Jean gewusst hatte, dass Ezra ihr wegen ihrer Beziehung zu Alex zwei Millionen Dollar vorenthalten wollte, wäre das ein Grund mehr für sie gewesen, ihn umzubringen. So würde Detective Mills es sehen. Hatte Jean es gewusst? Wann hatte sie es erfahren? Wann hatte Ezra sie enterbt? Ich konnte hören, wie Mills genau diese Fragen stellte. Aber hatte sie sie gestellt?
Zur Hölle mit Clarence Hambly und seiner kleinlichen Rachsucht!
Als ich wieder in den Pick-up stieg, sprang Bone mir auf den Schoß und leckte mir das Gesicht. Ich strich ihm über den Rücken, froh über seine Gesellschaft. Mir wurde klar, dass die Welt sich in den letzten Tagen, während ich von Alkohol, Schmerz und Zorn benebelt war, weitergedreht hatte. Mills war nicht untätig gewesen; sie hatte mich ins Visier genommen. Ich stand unter Verdacht. Diese Vorstellung war zu viel für mich. Ich konnte es nicht fassen. An diesem Tag hatte ich so viel verstanden, und nichts davon war angenehm. Und jetzt das. Ich besaß fünfzehn Millionen Dollar — aber nur, wenn ich auch noch den letzten kleinen Rest meiner selbst aufgab.
So saß ich in meinem Wagen in der Zufahrt unter Fenstern, die aussahen wie spiegelglänzende Augen, und düstere Gedanken verzerrten meinen Mund zu einem bitteren Lächeln. Ich dachte an Ezra und an seinen letzten Versuch, mich zu manipulieren. Mein Leben war immer noch verpfuscht, aber in dieser Hinsicht wusste ich etwas, das Ezra nicht wusste, etwas, das er sich niemals hätte vorstellen können. Schwarzer Humor regte sich, wo die Schlange Angst gewesen war; er blubberte wie kochendes Öl, und das befreite mich. Ich stellte mir vor, was für ein Gesicht er machen würde, sein Entsetzen, wenn er es wüsste, seine grenzenlose Fassungslosigkeit. Ich wollte sein Geld nicht haben. Der Preis war zu hoch. Bei dem Gedanken musste ich lachen, und ich lachte, als ich wegfuhr von Hambly House, ca. r788. Ich lachte wie ein Irrer. Ich heulte regelrecht vor Lachen.
Aber als ich zu Hause ankam, war die Hysterie verebbt, und ich war leer. Ich fühlte mich innerlich zerschnitten, als wäre ich voller Glasscherben, doch ich dachte an Max Creason, dem man die Finger gebrochen und die Nägel herausgerissen hatte und der trotzdem noch genug Kraft und Humor hatte, um einem Wildfremden zu sagen, er solle aufhören, ein Schlappschwanz zu sein. Das half.
Ich brachte Bone in den Garten, gab ihm Futter und Wasser und kraulte ihm den Bauch, und dann ging ich ins Haus. Mein Zettel für Barbara lag noch da, wo ich ihn hingelegt hatte. Ich nahm den Stift und schrieb dazu: »Sei nicht überrascht, wenn Du einen Hund im Garten findest. Er gehört mir, und er darf ins Haus, wenn du willst.« Aber ich wusste, daraus würde nichts werden; Barbara mochte keine Hunde. Der, den ich mit in die Ehe gebracht hatte, auch ein gelber Labrador, hatte niemals ins Haus kommen dürfen. Wir waren drei Jahre zusammen gewesen, als ich Barbara heiratete, und dann war aus meinem ständigen Begleiter ein mühsam toleriertes Ärgernis geworden — ein weiteres Opfer jämmerlicher Entscheidungen. Ich schwor mir, dass so etwas nie wieder geschehen würde. Ich beobachtete Bone durch das Küchenfenster und spürte die hohle Leere des Hauses um mich herum, und ich dachte an meine Mutter.
Wie mein Vater war sie in bettelarmen Verhältnissen aufgewachsen, aber anders als Ezra hatte sie sich in ihrer Haut wohl gefühlt. Das große Haus hatte sie nie gewollt, nicht die Autos und nicht das Prestige, das alles nicht. Aber Ezra war unersättlich gewesen, und je weiter er aufgestiegen war, desto mehr hatte sie ihn gestört, weil sie ihn beständig an seine Anfänge erinnerte. Ezra hatte seine Vergangenheit gehasst und sich für sie geschämt, doch er hatte das Bett mit ihr teilen müssen.
Das war meine Theorie, denn wie sonst konnten zwei Menschen aus abgrundtiefer Armut aufsteigen, zwei Kinder bekommen und am Ende nicht einmal wie Fremde zusammenleben?
Die Jahre seines Grolls hatten meine Mutter so hohl wie dieses Haus werden lassen; sie war der Schacht, in den Ezra seinen Zorn, seine Frustration und seinen Hass gekippt hatte. Sie hatte alles aufgenommen und getragen, bis sie nur noch ein Schatten war und für ihre Kinder nichts mehr aufbringen konnte als ihre inbrünstige Umarmung und die Ermahnung, still zu sein. Niemals war sie für uns eingetreten — bis zum Abend ihres Todes. Es war dieser kurze Augenblick
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