Der König der Narren
sen Splittern. Doch im Gegensatz zu der wahllosen Unordnung in der Schenke und den dort verwendeten Splittern, die voller Sprünge w aren und von der Form her oft nicht zusam m enpassten, war h i er jedes Stück sorgfältig ausgesucht und fügte sich in ein har m onisches Ganzes. Es glich den Wandteppichen aus Siridom und enthielt sogar Muster und Bilder.
In der Mitte des Rau m e s, auf einer Liege, die v on einem wirklichen Teppich gepolstert wurde, lag e ine gr a zile Gestalt m it m att ausgebreiteten Flügeln und silbernem Haar, das ein wenig länger als das der übrigen Kadinger und m it P e rlen durchwirkt war. Von ihr stam m t en d i e Flötentöne. Sie hielt ein Schilfrohr in der Hand, das sie absetzte, als sie Hal b erts gewahr w urde, doch s i e richtete sich nic h t auf. »Man hat m i r schon berichtet, dass Neuanköm m linge in der Stadt seien«, sagte sie, und weder ihre Miene noch ihre Stimme ließen besonderes Interesse erkennen. »Sind sie bereit, den E i d zu leiste n ? «
»Ja, Herrin«, bestätigte Halbert.
»Nein«, sagte Res klar und deutlich.
Die Fürstin warf ihr ei n en Blick zu, als be m erke sie zum ersten Mal, dass Halbert sich in Gesellschaft befand. Ihre Augenbrauen hoben sich. Dann lachte sie. Es w a r das gleiche klingende Lachen, das die übrigen Bewohner von Kading auszeichnete, verstärkt durch den leichten W iderhall, der in diesem Raum herrschte.
»Ich bin nicht hier, um ein e m Mördersyndikat beizutreten«, erklärte Res so ruhig wie m öglich und kam sich neben der Fürstin plu m p und hässlich vor. »Ich bin hie r , weil Ihr vor vielen Jahren bei den W eberinnen von Siridom einen Teppich bestellt ha bt , der den Triu m ph d e s Verlorenen Kaisers zei g en sollte. Ihr habt ihn gekannt, und ich m u s s wissen, wo er sich befindet.«
Sie schluckte ihren Stolz hinunter und kniete nieder. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Yen Tao-t z u es ihr gleichtat. Mehr noch, er strec k te die A r m e aus u nd le g t e s e in Haupt auf den Boden. »Bitte«, schloss sie, »helft m i r. Siridom wird vom Nichts bedroht, und viele andere Orte in Pha n tá s i en e b enfalls. Der Verlorene Kaiser hat es ein m al besiegt. Ich m uss ihn finden, da m it es ihm erneut gelingt.«
Als sie zu Ende gesprochen h a tte, ah m te sie Yen Tao-tzu nach und presste ihr Gesicht ebenfalls a u f den Boden. Es wirkte noch demütiger als eine Verbeugung, u n d wenn es die Fürstin günstig stim m t e, dann kam es Res nicht darauf an. Ü ber sich hinweg hörte sie die Sti mm e der Fürstin befehlen:
»Halbert, verschwinde.«
»Euer Erhabenheit…«
»Hinaus. Lass uns allein.«
Die l e ichten Schritte des Zwergs e n tfernten sich rasch. Dann näherte sich ein Flattern, bis Res sp ü rte, wie die gefächelte Luft ihre Wangen berührte.
»Steht auf«, sagte die Fürstin. »Alle beide.«
Res gehorchte. Die Fürstin schwebte direkt vor ihr. Aus der N ähe fielen Res v or allem ihre Augen a u f, die einen hell e n, harten Glanz versprühten, wie Dia m anten.
»Es hat m e hr als einen Kaiser in P hantásien gegeben«, sagte die Fürstin. » W eißt du überhaupt, welchen du m einst, Mädchen? Ich kann m i ch un m öglich an alle erinnern.«
Also hatte die Katze in diesem Punkt die Wahrheit gesagt. Unwillkü r lich f uhr sich Res m it der Zungenspitze über die Lippen. »Es m ag m ehr als einen gegeben haben«, erwiderte sie, »aber Ihr habt nur diesen einen Teppich in Siridom bestellt und nie abholen lassen. Der Verlorene Kaiser m uss Euch im Ged ä chtnis geblieben sein.«
»H m «, sagte die Fürstin und fuhr m it ihrer sch m alen Hand unter Res’ Kinn. Die Berührung war eisk a lt. S ie zog Res näher an sich heran und wisperte: »Mag sein, dass ich m i ch erinnere. Aber es sind keine guten Erinnerungen. Du hast m i r Kumm e r bereitet, w eil du sie in m ir geweckt ha s t. W a rum also sollte ich dir h e l f en?«
In der Nähe solcher Kälte fiel Res das A t m en f a st so schwer wie in der Hitze und dem Ruß der Fla mm en von Brousch. » W e i l Kading sonst früher oder später ebenfalls an das Nichts fällt«, presste sie heraus.
Die Fürstin ließ sie los, klatsch t e in die Hände und lachte erneut.
»Und warum sollte m i ch das küm m ern? Ich lebe schon s ehr lan g e. Ja, früher dachte ich, d a ss ich des Lebens nie satt werden würde oder der Süße der Macht. Aber nun zehre ich schon Ew igkeiten davon und finde sie bitter. Kading ist die sic h erste Stadt von Phantásien, und ich bin eine gute
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