Der König der Narren
stieg eine schwarze Flut des Hasses in ihr hoch. Sie wünschte sich, sie könnte die F ürstin in Grund und Boden sta m pf e n; sie wünschte sich, die Flam m e n wären hier und würden die Frau vor ihr an Ort und Stelle verschlingen.
Aber nicht, ehe sie ihr d en Auf e nthaltsort des Verlorenen K aisers verraten hatte. Mit der B itte um Ver z eihung in den Augen und brennender Scham i m Herzen schaute R es Yen Tao-tzu nach, wie er von den W achen fortgeführt wurde. Aber sie rührte sich nicht v o m Fleck, unternahm nichts, um ihm zu helfen, und erhob nicht m ehr die Stim m e zum Protest.
»Nie m and soll sagen, dass ich m eine Versprechen nicht halte«, m einte die Fürstin, als er den E m p f angsraum verlassen hatte. »Der Verlorene Kaiser ging dorthin, wohin alle K aiser Pha n tásiens am Ende gelan g en; in d ie Alte Kaiser Stadt. Sie lie g t unweit d e s Nebel m eers, nördlich von hier. Du brauchst noch nicht ein m al befürchten, dass er inz w ischen gestorben ist.« Sie bog einen Finger und winkte.
»Tritt näher.«
Es schien Res, dass ihre Füße von alleine einen Schritt nach dem anderen taten, bis sie vor der Liege der Fürstin stand.
»Setz dich zu m i r.«
Res ließ sich auf die Li ege sin ke n. Dabei streiften ihre Hände den Seidenteppich, der über die L i ege gespannt w ar, und das vertraute Gefühl erinnerte sie daran, dass a l l dies wirklich geschah. Es war kein Trau m . Sie hatte gerade erfah r en, wo sich der Verlorene Kaiser befand. Sie hatte gerade einen Freund im Stich gelassen. Sie saß gerade jetzt neben einer Frau, die i h r n ach dem Nichts das Sc h lim m ste in ganz Phantásien war.
»Nie m and stir b t in der Alten Kais e r Stadt. Sie würden es si c h zwar wünschen, wenn sie noch wünschen könnten, aber sie sterben nie. Doch ich fürchte«, mu r m elte die Fürstin und legte ihre frostige Hand auf Res’ Nacken, wo die Spitzen ihres kurz geschnittenen Haares, die noch feucht waren, sofort zu Eis gefroren, »ich fürchte, m eine Liebe, diese Auskunft wird dir nichts nützen. Denn siehst du, nie m and, d e r einen Mord begangen hat, um na c h Kading zu gelangen, kann die Stadt oh n e m eine Einwilligung w i eder v erla s sen. Das verhindern die Schutzzauber. Und m eine Einwilligung gebe ich dir nicht.«
Ihre s ilb e r n en Locken str e i f ten Res’ W ange, und ihre Lippen, so kalt wie a ll e s andere an ihr, ber ü hrten das Ohr des Mädchens, als sie flüsterte: » B etrachte dich als eingeschworen. Jetzt kannst du gehen.«
Kunlas Dolch steckte in ihrem Korb, sicher v er w ahrt, um nie m anden in Kading zu beleidigen od e r argwöhnisch zu m achen. Einen Mo m ent lang fragte sich Res, ob es möglich war, das allgegenwärtige Kristall hier zu zer b rechen und der Fürstin ei n en Splitter ins Herz zu stoßen. W ie eine Ertrinkende an ein Tau klammerte sie sich an das, was die Vernunft ihr sagte. Der Fürstin irgendeine Art von Schaden zuzufügen, hier, im Zentrum ihrer Macht, war gewiss unmöglich. Aber sie konnte versuchen, Yen Tao-tzu zu finden und ihm zu helfen. S ie schuldete es ih m . Außerdem hatte die Fürstin bei all ihrer Bosh ei t tatsäc h lich verr a ten, wo der Verlorene Kaiser zu finden war. Und, was genauso viel zählte, die Fürstin konnte nicht ahnen, dass s ie d ie Stadt betreten hatte, ohne einen Mord zu begehen, und daher n i cht auf ihre E i nw illigung angewiesen war, um die Schutzzauber zu überwinden.
W i e das im Einzelnen zu bewer k stelligen war, wusste Res noch nicht, doch sie würde es herausf i nden. Und dazu m usste sie den Audienzraum der Fürstin verlassen, ohne ihr einen Grund zu geben, sie aufzuhalten.
Stocksteif, während sich ihre Fi n gernäg e l in ihre Han d ball e n bohrten, stand Res auf. Sie drehte sich nicht m ehr u m , als sie hinausging, doch das silberne L achen der F ürstin hallte hinter ihr her.
Vor dem Empfangsz i m m er wartete der Zwerg Halbert. Seine tiefliegenden Augen m usterten Res m it einer Mischung aus Verständnis und Abschätzung. »Tja«, sagte er. » D u hast sie nun kennen gelernt, wie ? «
Res tra u te i h rer Stim m e noch nicht und nickte.
»Das war’s dann«, m einte Halbe r t. »Du kann s t in der Schenke wohnen, bis du genügend Aufträge bekommen hast, um dich irgendwo einzu m i eten. W o m it kannst du am besten umgehen ? «
»Mit dem Webschiffchen und der Nadel«, entgegnete Res und war übe r ra s cht, da s s i h re Stim m e zwar ein wenig gepresst klang, aber nic h t zitterte. Sie
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