Der König der Narren
Herrscherin. Hier geht nichts vor sich, was ich nicht will. Einst d achte ich, das würde m i r Frieden ge b en und m i ch wieder glücklich m achen, a b er inzwischen bin ich es leid. Ich bin der Anbetung m einer Untertanen überdrüs s ig und auch ihres Neids und ihres verst e ckten Grolls, we n n sie m ich betrachten. Ich finde keine Freude m ehr daran, im m er dieselben Streitere i en zu sc h l ichten und stets au f s Neue die gl eichen Befehle zu geben. Mag das Nichts wiederko mm en! Es bringt zu m i ndest Abwechslung.«
Seit e r s ein e n Verstand wieder e rla n gt hatte, hatte Res die Stim m e des Sühneträgers nicht m ehr so gebrochen und fassungslos gehört wie jetzt. »U nd Eure Untertane n ?«, fragte er u nd starrte di e Fürstin an, als stünde ein Ungeheuer vor ihm. »Sollen Eure Untertanen sterben, nur weil Ihr Euch langweilt ? «
Res, die genau das Gleiche gedacht hatte, erwartete, dass die Fürstin erneut in Gelächter ausbrechen würde. Stattdes s en überzog ein Ausdruck von Verwunderung das silbe r ne Gesicht. W ie gerade eben bei Res berührte sie m it ihren Fingern Yen Tao-tzus Kinn.
»Das ist unmöglich«, stieß sie h e rvor. Dann wirbelte sie herum und flatterte wieder zu Res. » W illst d u dich über m i ch lustig m achen, Weberin ? «
»Nein«, entgegnete Res beschwörend und schüttelte verzweifelt den Kopf. Sie m usste die Fürstin überzeugen, ganz gleich, wie abscheulich ihr die Frau erschien, sonst war alles u m sonst gewesen.
»Ich will nur, dass Ihr mir helft, den Verlorenen Kaiser zu finden.« Die lichten, kalten Augen der Fürstin wanderten an ihr entlang.
»Du glaubst, was du sagst«, stellte die Fürstin fest und kehrte zu ihrer Liege zurück. Ihre m elodische Stim m e kl a ng wie das H ä m m ern in einem Silberbergwerk, als sie f o rtfuhr: »Dann lass m i ch d i r etwas erzählen. Du und dein Begleiter, ihr scheint Anstoß daran zu neh m en, dass m i ch das Schicksal m einer Untertanen nicht mehr kü mm ert. Nun, ich habe eine Unendlichkeit gebraucht, bis ich so weit gekommen bin. Aber der Verlorene K a iser, dieser Feigling, war nie anders. E r hätte Phantásien regieren können. Die Kindliche Kaiserin war verschwunden, sie hatte es i h m überlassen. Er war der Retter, und wir alle folgten ihm. Dazu hatte er uns er m utigt. W i r sollten belohnt werden und die wenigen Toren, die sich widersetzten, bestraft. Aber dann ließ er uns alle im Sti c h. Denn in W a hrheit wollte er nic h t regi e ren. Er wollte di e se Bürde nicht tragen. Er wollte nur ei n es: si c h selbst vernichten. Als ich das herausfand, hätte ich ihm diese Aufgabe gerne abgenommen, doch da war es schon zu spät. Und m eine gesa m te Fa m ilie war tot, gestorben f ür eine Sache, an die ihr An f ührer nie geglaubt hatte. Das ist der Mann, von dem du dir Hilfe erhoffst, W eberin.« S i e fasste Yen T a o-tzu ins Auge und schloss: »Sage m ir, m ein Freund, ist er n i cht durch und durch verabscheuungswürdig ? «
Yen Tao-tzu presste die Handflächen gegeneinander und erwiderte: »Dem mag so sein. Doch das enthebt Euch nicht der Verantwortung. Harmonie ist zwischen Herrsc h enden und Untertanen so wichtig wie zwischen Himmel und Erde, und ohne einander können sie nicht sein. S o lehren es die Meister.«
Ohne den Blick von ihm zu wend e n, nahm die Fürstin ihre Flöte vom Boden auf und setzte sie an ihren Mund. Dies m al jedoch spielte sie keine Melodie darauf, sondern b lies nur einen einzigen, scharfen Ton. Sofort erschienen zwei ihrer Wachen.
»Näht ihm den Mund zusam m en«, sagte sie und wies auf Yen Tao-tzu. »Ich habe das alles schon ein m al gehört, und ich lege keinen Wert darauf, wieder m it dergleichen belästigt zu werden.«
»Aber Ihr könnt nicht…«, begann Res, und die Fürstin schenkte ihr ein dünnes Lächeln.
»Ich kann alles. Ich kann dir sogar sagen, was du wissen möchtest. W o d e r Verlorene Kaiser hin g egangen ist in seiner Feigheit. W illst du das wissen od e r ein Hel d e n spiel v ersu c hen?«
Res stockte, und das Lächeln der Fürstin vertiefte sich.
» W as ist wichtiger, dieser Mann oder die Rettung deiner Hei m a t? «
Es war die Wahl, die sie vor den F l am m en der Zeit nicht hatte treffen m üs s en. Res kam es vor, a l s ginge ein Riss durch ihren gesa m t en Kö r per. Noch nie hatte sie je m anden gehasst. Kunlas Vater vielleicht, aber nicht wirklich; sie war enttäuscht und wütend gewesen, doch sie hatte ihm nichts Böses gewünscht. Nun jedoch
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