Der König der Narren
kannst sie auch nicht mit einem Zauber belegt haben. Du verfügst über keine Magie.
» W issenschaft, nicht Magie«, erläuterte Yen Tao-tzu, offenkundig m it sich zu f r ieden. » W a s eine Art Wesen verträgt, kann für eine andere Gattung schädlich sein. Ich war lange genug b e i ihnen, um zu wissen, wie sie sich ernähren und was sie nicht vertragen.«
»Du bist der Beste«, sagte Res und unterdrückte das Bedürfnis, schon wieder im Raum heru m zutanzen. Stattdessen nahm sie den Teppich und vollendete rasch die Ausbesserung, was sie schon gestern hätte tun können; es dauerte nur noch ganz kurze Zeit. Dann klaubte sie ihr neues Gepäck zusa mm en und zwinkerte den anderen beiden zu.
»Auf geht’s!«
Ihre Angst, der Zauber, der den Teppich zum Fliegen brachte, könnte nun gebrochen sein, war noch vorhanden, aber Res gab sich zuversichtlich. W enn d i e Katze und Yen Tao - tzu guter Stimmung waren, durfte m an ihnen keine Gelegenheit geben, in düstere Befürchtungen zu verfallen.
Sie traten i n s Freie. Der ewige Regen hatte für d en Mo m ent aufgehört, ob w ohl der Him m el i m m er noch von grauen W olk e n überzogen war. Res at m ete die kühle, frische Luft ein. Dann breitete sie den Teppich auf einem Stück Straße aus Schlangenlinien aus, legte ihren Gepäcksack darauf und wartete, bis die Katze und Yen Tao-tzu ihre Plätze eingenom m en hatten.
Es war noch früh am Morgen, doch die ersten Bewohner der Alten Kaiser Stadt waren bereits unterw e g s, wie sie es gestern gewesen waren und morgen wieder sein wür d en, bis in alle Ewigkeit. Es brachte einen zum Frösteln, wenn m an darüber nachdachte. W ar u m wohl Menschenkinder so endeten, wenn sie nach Phantásien ka m en? Zu viele Wünsche und zu viele v e rlorene Erinnerungen, hatte Argax gesagt, aber das ergab keinen Sinn. Es war ein Rätsel, das sie nicht lösen konnte. Vielleicht später einmal, wenn das Nichts besiegt und Zeit dafür w ar.
Res kniete sich auf den Teppich. »Teppich«, rief sie m it leicht zitternd e r Sti mm e, » f lieg!«
Einen Moment lang geschah nicht s , und sie spürte ihren rechten kleinen Finger zucken. Dann ruckte und rutschte der Boden unter i h r hinweg, und Res wusste, dass sich der Teppich in die Lüfte erhoben hatte. S ie ließ sich auf den Rücken fallen und breitete die Ar m e au s , benommen vor Erleichterung.
Eine Richtung, sagte d i e Katze, du musst eine Richtung angeben.
Das stim m t e. Nun, der Berg d e s Alten konnte über a ll sein, also spielte die Richtung eigentlich keine Rolle. W enn Yen Tao-tzu ihn gefunden hatte, als er nach dem Elf e nbeinturm s uchte, dann hatte sie vielleicht das gleiche Glück. W o der Elfenbeinturm lag, von hier aus gesehen, wusste sie auch nicht, w e il sie seit Kading nur eine ungefähre Vorstellung hatte, wo sie sich befanden, aber diese Auskunft konnte m an ihr sicher in jeder größeren Siedlung erteilen. Z urück zu den Grottengängern zu fliegen hatte allerdings keinen Sinn. Dort warteten noch m ehr Leute aus Sto-Vo-Kor.
»Nach Süden«, sagte Res.
Es war anders, über Phantásien zu fliegen, wenn es kein eigentliches Ziel mehr gab und m an nur auf den Zufall hoffen konnte. Res kam es so vor, als vergehe die Zeit langsa m er. Während sie bisher oft gedacht hatte: ›Jetzt könnten wir schon in Kading sein, wenn ich m i ch nur n i cht hier au f gehalten hätte‹, oder: ›Bis zur Alten Kaiser Stadt ist es bestim m t nicht m ehr weit, und wenn wir nur ein bisschen schneller fliegen…‹, ta p pte sie jetzt völlig im Ungewissen, wann und ob überhaupt sie auf den Wandernden Berg stoßen würden.
Dennoch, sie hatte die Alte Kaiser Stadt m it neuer Kraft w i eder verlassen. Wenn Yen Tao-tzu sich im m er no c h vor der E ntdeckung des letzten Rests seiner Vergange n heit fürchtete, dann behielt er es für sich. Stattdessen stimmte er nach einer W eile ein Lied an. »Die Welt steht schon jahrein, jahraus, hopp heißa, bei Regen und W ind…«
Zweibeiner, m urrte die Katze. Ihr habt allesamt kein Gefühl für die hohe Kunst des Gesanges und viel zu tiefe Stimmen, besonders du.
Res zup f te die Katze l e i c ht am Schwanz. »Mir g ef ällt es. I s t es ein Lied aus deiner Hei m at, Yen Tao-tzu ? «
Er schüttelte den Kopf. »Sie haben es in der S chenke in Kading gesungen, als ich auf dich wartete.«
Als sie einige Flugstunden hinter sich hatten und Res gerade wieder auf dem Rücken lag und die Wolken über sich dahinjagen sah, spürte sie m i t einem
Weitere Kostenlose Bücher