Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
der Alexander gekommen ist.«
Brembre hob die breiten Schultern. »Das ist richtig.«
»Der Mann ist nach England gekommen, um für mich zu arbeiten. Wenn es möglich ist, möchte ich für ihn bürgen.«
Der Sheriff lächelte höhnisch und schüttelte den Kopf. »Für einen Kerl, den Ihr nicht einmal kennt? Man muss sich wundern, dass ein so leichtsinniger Dummkopf wie Ihr sich so lange im Geschäft gehalten hat. Der Mann ist ein Dieb, Durham. Obendrein Ausländer. Es gibt keine Bürgschaft. Er bleibt eingesperrt, bis er vor Gericht kommt.«
»Wo eingesperrt?«, fragte Jonah und bemühte sich nach Kräften, seinen Zorn zu verbergen. Er schätzte es nicht, als leichtsinniger Dummkopf bezeichnet zu werden.
»In der Tonne«, beschied der Sheriff. »Und nun muss ich Euch bitten, mich zu entschuldigen, ich bin ein viel beschäftigter Mann.«
Jonah zeigte ein verächtliches Lächeln. »Ich will Eure kostbare Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen, Sir. Seid nur noch so gut und sagt mir, was dem Flamen eigentlich vorgeworfen wird. Wen hat er bestohlen?«
»Einen Matrosen der Alexander .«
Jonah hob die Brauen. »Und Eure Männer wussten schon davon, als das Schiff festmachte? Ich muss gestehen, ich bin beeindruckt …«
Der Sheriff stand für einen Augenblick wie erstarrt. Er rührte sich nicht, machte keine drohenden Gebärden, aber seinAusdruck wurde mit einem Mal gefährlich. »Besser, Ihr schert Euch hinaus«, riet er leise.
Jonah nickte. »Nur eine letzte Frage noch. Was soll er dem Matrosen gestohlen haben?«
»Fünfzehn Shilling.«
Jonah spürte trotz der Hitze sein Gesicht kalt werden. Ein Diebstahl dieser Größenordnung galt als Kapitalverbrechen. Verständnislos betrachtete er den Sheriff. »Ist das wirklich Euer Ernst, Brembre? Ihr wollt einen unschuldigen Mann hängen lassen, nur weil seine Anwesenheit hier Adam Burnell ein Dorn im Auge ist? Habt Ihr kein Gewissen?«
Lucian Brembre blieb ungerührt. »Ich tue das, was dem Wohl dieser Stadt dient. Und wenn Ihr jetzt nicht verschwindet, lasse ich Euch vor die Tür setzen.«
Jonah ging grußlos hinaus. Blind stürmte er an den Bütteln vorbei ins Freie, überquerte den kleinen Vorplatz mit langen Schritten und hielt im Schatten der Birke an.
»Nicht so gegangen, wie Ihr wolltet, he?«, fragte eine helle Stimme neben ihm.
Jonah wandte sich um. Der einbeinige Knirps, der sein Pferd gehütet hatte, lehnte bequem an dem schmalen Baumstamm und sah mit ernster Miene zu ihm auf.
Jonah schüttelte den Kopf. Nein, es war ganz und gar nicht so gegangen, wie er gehofft oder erwartet hatte. Natürlich wusste er so gut wie jeder andere, dass gute Beziehungen zu den Stadtvätern allerhand ermöglichten, dass man die Maschinerie der Verwaltung leichtgängig machen konnte, indem man sie gut ölte, dass manchmal gar das Recht käuflich war. Was er hingegen nicht geahnt hatte, war, dass das auch für das Unrecht galt. Jonah musste feststellen, dass er nicht der Zyniker war, für den er sich gehalten hatte. Er war erschüttert.
Er fischte den versprochenen halben Penny aus dem Beutel und gab ihn dem Jungen.
Mit einem zahnlosen Grinsen ließ der Kleine seine Beute in den Falten seines zerlumpten Kittels verschwinden. »Sonst noch was, das ich für Euch tun kann, Sir?«
Jonah packte Grigolets Zügel und wollte erneut den Kopf schütteln, aber dann zögerte er und dachte nach. Er durfte es nicht einfach so geschehen lassen, ging ihm auf. Es war nicht recht. Maria und Niklas Wie-auch-immer und ihre Bälger waren auf sein Betreiben hierher gekommen, es war allein seine Schuld, dass sie in diese Situation geraten waren. Und mochten sie auch Fremde und Ausländer sein, wollte er nicht den Rest seiner Tage damit leben müssen, für den Tod des flämischen Webers verantwortlich zu sein.
»Was muss ich tun, wenn ich einen Häftling in der Tonne besuchen will?«, fragte er den Jungen.
»Den Wärter schmieren«, kam prompt die Antwort.
»Wie viel?«
Der Junge hob die mageren Schultern. »Wer ist der Gefangene?«
»Ein Niemand.«
»Dann ist es billig.«
Jonah nickte und dachte weiter. Selbst im Schatten der Birke war die Hitze mörderisch. Es fühlte sich an, als drohe sein Kopf zu platzen, wenn er ihn weiter so anstrengte. Trotzdem durchdachte er seine Möglichkeiten. Er hätte versuchen können, die Königin um Hilfe zu bitten. Aber Woodstock war weit fort. Außerdem war die Jurisdiktion der Stadt vollkommen unabhängig von der Krone; Philippa hätte kaum
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