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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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zufrieden, kramte umständlich in dem schmierigen Beutel unter dem Mantel, dann legte eine ihrer Krallen zwei Farthing in seine Pranke, und sie trat hinkend über die Schwelle. Winfred stieg vor ihr eine Treppe hinauf, die sich an der runden Wand entlangzog, sperrte eine schwere, eisenbeschlagene Türauf und winkte sie wiederum durch. »Du hast zehn Minuten. Klopf ›Dein Reich komme, dein Wille geschehe‹ an die Tür, wenn du raus willst. Kannst du dir das merken?«
    »Ich bin alt, aber ich bin nicht blöd, Söhnchen!«, krächzte sie entrüstet und humpelte in das dunkle, höhlenartige Verlies.
    Als die Tür sich polternd schloss, verspürte Jonah eine widersinnige Erleichterung. Er hatte keine klare Vorstellung, wie er hier wieder herauskommen sollte, von »ungeschoren« ganz zu schweigen, aber er war dankbar, dass er es überhaupt bis hierher geschafft hatte. Er hatte kaum damit gerechnet.
    Jonah war Schauspieler. Begnadet, sagten manche. Es fiel ihm nicht schwer, seine Stimme glaubhaft zu verstellen, einen krummen Rücken zu machen und zu hinken. Aber die Leute bei den Weihnachtsspielen mit seiner Verstellungskunst zu belustigen war eine Sache, jemanden wirklich zu überzeugen eine völlig andere. Er war viel zu groß für ein altes Weib. Sein Gesicht zu glatt, trotz der Asche, mit der er es eingerieben hatte, seine Lippen zu rot, auch wenn er sie eingezogen hatte, um einen zahnlosen Mund vorzutäuschen.
    Doch der Wärter hatte keinen Grund, an der Identität einer armen, alten Frau zu zweifeln, es kamen genug hierher, um ihre Söhne oder Ehemänner zu versorgen. Und Jonah war dankbar für sein Kostüm, das so überzeugend wirkte, weil es echt war. Die Großmutter seines kleinen einbeinigen Verbündeten hatte Jonah die Kleider geborgt, die sie am Leib trug, denn sie besaß keine anderen. In eine Decke gehüllt saß sie nun in ihrer Hütte am Fuß der Stadtmauer und wartete auf seine Rückkehr. Jonah wollte lieber nicht wissen, wann Rock, Kittel und Rise zuletzt gewaschen worden waren. Der zerlumpte Umhang sicher noch niemals. Die Sachen standen vor Dreck, und sie stanken. Jonah ekelte sich so sehr, dass er am ganzen Körper eine Gänsehaut hatte. Es juckte ihn überall. Vermutlich wimmelten die Lumpen von Ungeziefer. Aber er wusste die glaubhafte Tarnung zu schätzen.
    Das Obergeschoss der Tonne bestand nur aus diesem einen Raum, der fensterlos war, denn aus Fenstern konnte man entwischen.Hier und da war eine Fackel in einer Halterung an den hölzernen Stützbalken befestigt, so dass er Umrisse und Schatten erkennen konnte, als seine Augen sich auf das Dämmerlicht eingestellt hatten. Männer saßen oder lagen im schmutzigen Stroh am Boden, die meisten dösten oder schliefen, manche hockten in kleinen Gruppen zusammen und tuschelten. Es klang verschwörerisch, gefährlich. Jonah war froh, dass es nicht seine Aufgabe war, sie zu bewachen. Langsam machte er eine Runde durch den großflächigen Raum, stieg behutsam über reglose Gestalten weg, erntete neugierige Blicke aus dem Halbdunkel. Vereinzelt sah er halbwüchsige Knaben, aber keine Frauen. Die Huren, die Winfred gebracht wurden, hielt er unten im Wachraum, der gleichzeitig seine Wohnung war. Sie kochten bereitwillig für ihn, hielten ein bisschen Ordnung und wärmten nachts sein Bett, dankbar, dass er sie nicht zu den Kerlen sperrte.
    »Na, Alte, bringst du mir ein Süppchen?«, rief ein Halunke mit einer schmutzigen Binde über dem linken Auge, und Jonah krächzte: »Hättest du deine Mutter nicht verhökert, würde sie dir vielleicht eins bringen!«
    Die schlagfertige Antwort erntete Gelächter und Applaus, und Jonah schlurfte unbehelligt weiter.
    Er erkannte den Flamen auf Anhieb, obwohl der sich in den hintersten dunklen Winkel verkrochen hatte. Das Gesicht, das sich hob, als Jonah näher hinkte, war auf unbestimmte Weise fremdartig. Jonah hätte nicht festmachen können, woran das lag, aber der Mann sah einfach nicht englisch aus. Er hatte weizenblondes, schulterlanges Haar und ein ausgeprägtes bartloses Kinn.
    »Niklas?«, wisperte Jonah.
    Der Angesprochene fuhr leicht zusammen. »Ja?«
    Jonah schaute sich verstohlen um. Niemand beachtete ihn mehr, und die nächste Fackel war wenigstens zehn Schritte weit weg. Er hockte sich ins Stroh. »Ich bin Jonah Durham.«
    Niklas starrte ihn ungläubig an. Es war zu finster, um die Farbe seiner Augen zu erkennen, aber sein angespanntes Gesicht schien Furcht, Verwunderung und eine Spur von

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