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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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dieser Bengel ihm das Wort im Mund herumdrehte. Auch das hatte er zweifellos von seiner Mutter. Was für ein heller Kopf. Aber ein strenger väterlicher Blick verbarg die unfreiwillige Belustigung. »Dann nenn mir einen deiner guten Gründe«, verlangte er.
    Philip geriet in Bedrängnis. Damit hatte er nicht gerechnet. Du liebst mich nicht, wäre wohl die treffende Antwort gewesen, denn das war es, was er empfand, aber er war sich dessen nicht bewusst und konnte es deswegen auch nicht in Worte fassen. Er schüttelte hilflos den Kopf. »Ihr … Ihr … Von jeder Reise bringt Ihr mir Marzipan mit. Und ich hasse Marzipan.«
    Jonah nickte ernst. Er hätte genauso wenig wie Philip den Finger darauf legen können, was zwischen ihnen fehlte, aber er verstand sehr wohl, dass dieser Vorwurf eine Art Gleichnis war. Und Giselle hatte ihm so oft vorgehalten, er sei dem Jungen ein schlechter Vater, dass gewiss etwas Wahres daran sein musste. »Dann sag mir jetzt, was du dir wünschst, und ich werde es mir merken.«
    Ein scheues Lächeln hellte das hübsche Knabengesicht auf. »Tuch«, gestand er. »Tuch aus fernen Ländern. Merinowolle aus Spanien oder Seide aus Venedig oder wo immer Ihr es herholt. Nur ein ganz kleines Stück. Nur zum Anschauen.«
    Jonah legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du hast mein Wort, Philip.«
     
    »Ich weiß nicht, was du zu ihm gesagt hast, Jonah, aber er ist ein anderer Junge. Wie ausgewechselt.«
    Jonah hob abwehrend die Hand. »Vermutlich ist es selbst mir zu viel, mit zwei Söhnen gleichzeitig in Hader zu liegen.«
    Möglich, dachte Giselle, aber sie glaubte eher, dass der schwarze Tod einen sehr nachdenklichen Mann aus ihm gemacht hatte, der manche Dinge heute anders sah als früher. Dessen Werte und Prioritäten sich womöglich gar verschoben hatten.
    Der Hof tanzte. Zur beschwingten Musik von Fideln, Trommeln und Flöten hopste die Elite des Landes von einem Bein aufs andere, fasste sich bei den Händen, drehte sich im Kreise und vollführte die unglaublichsten Verrenkungen. Jonah fand das so unaussprechlich albern, dass er gar nicht hinschauen mochte.
    Giselle lachte über seine säuerliche Miene. »Es ist höfisch, Jonah.«
    »Die höfische Entschuldigung für den König, Joan of Kent den ganzen Abend lang zu begrapschen«, entgegnete er verdrossen.
    Giselle ging nicht darauf ein. »Der Tanz ist elegant und geistvoll. Und du machst ein Gesicht wie Master Burnell früher, wenn ein junger Gildebruder einen zu farbenfrohen Mantel trug.«
    »Oh, wärmsten Dank.«
    »Wenn du ein wahrer Ritter wärest, würde es dir gefallen, und du würdest auch einmal mit mir tanzen.« Sie seufzte unüberhörbar.
    »Ich bin aber kein wahrer, sondern ein unfreiwilliger Ritter.«
    »Ich weiß, Liebster.«
    »Und wenn du tanzen willst, brauchst du Gervais nur ein Lächeln zu schenken. Er wartet sehnsüchtig darauf. Er ist schon wieder ohne Anne hier.«
    »Du hättest nichts dagegen?« Ihre Augen leuchteten auf.
    Der Gedanke beglückte ihn nicht gerade, aber das behielt er für sich. »Nein. Ich vertraue darauf, dass Gervais ein Gentleman ist.«
    Nicht immer, fuhr es ihr durch den Kopf, aber sie gab dem Earl of Waringham trotzdem einen unauffälligen Wink, und wie Jonah vorhergesagt hatte, stürzte er eilfertig herbei und entführte Giselle mit einer halbherzigen Entschuldigung in Jonahs Richtung.
    Missmutig beobachtete dieser das ausgelassene Treiben und wünschte, er hätte Giselle nicht dazu ermutigt. Schließlich vernahm er ein leises Rascheln hinter sich. Er erkannte die Königin am Schritt und an ihrem Parfum und sagte, ohne sich umzuwenden: »Ich will nicht, dass Lucas so wird.«
    Sie setzte sich neben ihn und folgte seinem Blick. »Sie feiern nur den Umstand, dass sie noch leben. Seid ein bisschen nachsichtig.«
    Jonah wies nicht darauf hin, dass auch der Erzbischof von Canterbury den Sittenverfall dieses Hofes schon mehrfach gerügt hatte, sondern aß lieber eine Kirsche.
    Philippa folgte seinem Beispiel, spie den Kern diskret in die Hand und bemerkte: »Sie sind nicht nur das, was sie jetzt zu sein scheinen, und das wisst Ihr genau. Wenn es nötig wird, ist jeder dieser Gecken ein Edelmann und unerschrockener Ritter.«
    »Sagen wir, fast jeder«, schränkte Jonah spöttisch ein. Aber sie hatte natürlich Recht, er hatte es selbst oft genug erlebt.
    Die Königin schwieg und kaute nachdenklich eine zweite Kirsche. Dann fragte sie: »Erinnert Ihr Euch an den Tag in Epping Forest, als die Räuber Euch

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