Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Er musste ihm nicht einmal besonders zusetzen. Der Fälscher war ein ehemaliger Mönch und Schreiber der königlichen Kanzlei. Ein Bücherwurm und Stubenhocker – kein sehr harter Bursche. Mitleidlos sah Francis schließlich auf das heulende Knäblein zu seinen Füßen hinab, packte es am Schlafittchen, brachte es nach oben und befahl, es anständig zu füttern. Die anderen beiden ließ er laufen, nachdem er eine angemessene Beteiligung an allen zukünftigen Geschäften mit ihnen ausgehandelt hatte.
Martin und Agnes Greene hatten sich schon schlafen gelegt, als jemand vernehmlich an ihr Tor klopfte.
Lady Greene setzte sich auf und stöhnte. »Ich wünschte, du hättest dich nicht wieder zum Alderman wählen lassen, Martin. Wir werden zu alt für so etwas.«
Er gab ihr Recht, erhob sich aber ohne Zögern und verblüffend agil und griff nach seinen Hosen. »Nächstes Jahr sage ich nein, ich versprech es dir.«
Agnes lächelte wehmütig. Das sagte er seit mindestens zehn Jahren, egal, ob es um ein Amt in der Gilde oder im Stadtrat ging. »Ich werde dich zu gegebener Zeit daran erinnern, mein Lieber …«
Es klopfte wieder, polterte regelrecht.
Martin Greene öffnete die Tür seiner Schlafkammer und rief: »Geht vielleicht irgendwer mal ans Tor?«
Als er in den Hof hinauskam, hatte ein verschlafener Diener den ungeduldigen Besucher bereits eingelassen. Im Licht seiner flackernden Kerze sah Greene einen grellroten Schopf aufleuchten und wusste sofort, wer ihn zu dieser gottlosen Stunde aufsuchte. »Master Willcox … ich wusste nicht, dass Ihr in der Stadt seid.«
Harry Willcox hielt einen Strick in der Hand, ruckte daran, und eine zusammengekauerte Gestalt stolperte über die Schwelle. »Ich bedaure die späte Störung, Sir, aber ich wusste nicht, wohin mit meinem Freund hier.«
Greene starrte verwundert auf den gefesselten, zerzausten und offenbar zu Tode verängstigten Gefangenen, überlegte einen Moment und nickte dann seinem Diener zu. »Geh, hol den Büttel aus dem Bett, Paul. – Oder sollte ich gleich nach dem Sheriff schicken?«, fragte er Harry.
»Ja, ich glaube, es wäre das Beste. Jede Minute zählt.«
»Na schön. Du hast es gehört, Paul. Spute dich. Und Ihr folgt mir, Master Willcox. Bringt Euren … Freund mit.«
Er führte sie zu seinem Haus, die dunkle Treppe hinauf und in die Halle. Agnes hatte schon eine Magd geweckt, die herumging und die Kerzen anzündete. Stück für Stück wich das Dunkel zurück, und Greene konnte seine seltsamen Besucher deutlicher erkennen.
»Das hier ist der Schurke, der die Dokumente gefälscht hat, die Jonah Durham das Leben kosten sollten, Sir«, erklärte Harry ohne Umschweife.
Greene atmete so tief durch, dass seine Nasenflügel sich sichtlich blähten. »Gott sei Dank. Ich habe es doch gewusst.« Aber seine offenkundige Erleichterung verriet Harry, dass der Gildemeister nicht ganz frei von Zweifeln an Jonahs Unschuld gewesen war. Das fand er äußerst befremdlich.
Greene wandte sich an den Fälscher. »Ist das wahr?«
Der Mann nickte kläglich.
»Und wer hat dich für diese Teufelei bezahlt?«
»Master Rupert Hillock, Mylord.« Es war ein furchtsames Wispern.
Greene verzog angewidert das Gesicht. »Oh, bei allen Heiligen. Rupert … Meine arme Bernice …«
»Das war der Grund, warum ich erst zu Euch gekommen bin«, erklärte Harry.
Greene nickte ergeben und fragte dann: »Können wir glauben, was diese Kreatur sagt? Wie habt Ihr ihn überhaupt gefunden?«
»Ich bitte Euch inständig, mir die Antwort zu erlassen, Sir«, antwortete Harry verlegen. »Aber er sagt die Wahrheit, das ist gewiss. Er hat mir genau beschrieben, welche Urkunden und Siegel er gefälscht und wie er die Quittung der Teileinlösung von Jonahs Dordrecht-Schuldschein entfernt hat. Alles nach Hillocks genauen Anweisungen.«
»Gott, das ist wirklich bitter«, murmelte der Gildemeister. »Rupert hat also doch noch einen Weg gefunden, sein eigenes Grab zu schaufeln.«
»Ich fürchte, so ist es.«
»Aber es besteht kein Grund, dass der Sheriff ihn heute Nacht noch holt, oder?«, fragte Greene beinah flehentlich. »Es wäre ein so furchtbarer Schock für Bernice, wenn nachts der Sheriff ans Tor käme, und alle Nachbarn würden es hören. Rupert wird uns doch nicht davonlaufen. Morgen früh können wir ihn immer noch festnehmen, und anschließend suche ich den Lord Mayor auf und gehe mit ihm zum Lord Treasurer, und …«
»Ich muss Euch bitten, den Mayor vorläufig nicht in diese
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