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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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fiel ihm die Beute vor Schreck aus der Hand. »Da hol mich doch der Teufel … Der verlorene Sohn. Soll ich ein Kalb schlachten lassen, oder hast du den Sheriff mitgebracht?«
    Unauffällig sah Harry sich um. Das Gemach war komfortabel und verhältnismäßig sauber, doch die Wand- und Bettbehänge viel zu protzig, die Möbel zu zahlreich und zu reich verziert. Jedes Detail zeugte von schlechtem Geschmack.
    »Hast du was mit den Ohren, Söhnchen?«, erkundigte Francis sich.
    Harry verspürte die altvertraute Angst vor seinem Vater, die ihn sein ganzes Leben lang verfolgt hatte, und rang sie mit wütender Entschlossenheit nieder. Er war erwachsen. Er hatte sich befreit. Und er war hergekommen, um das Leben des Mannes zu retten, dem er das verdankte. »Ich bin allein hier, Vater.«
    Francis brummte. »Warst du bei deiner Mutter?«
    »Ja. Ein schönes Grab.« Das war es wirklich.
    »War schwierig genug, eins zu kriegen«, eröffnete sein Vater ihm unerwartet. »Es starben so furchtbar viele. Sie ist in Frieden heimgegangen, deine Mutter. Und zum Schluss hat sie von dir gesprochen und Gottes Segen für dich erbeten.«
    Harry senkte einen Moment den Kopf und wandte das Gesicht ab.
    »Mehr als du verdient hast, he?«, stichelte Francis. Dann schämte er sich offenbar, denn er wechselte sofort das Thema. »Ich wohne jetzt hier. Das Haus ist so leer.«
    Harry nickte und atmete tief durch. »Vater, ich bin hier, um deine Hilfe zu erbitten. Hast du gehört, was Master Durham passiert ist?«
    »Natürlich.«
    »Nun, wir glauben, dass es eine Intrige ist, hinter der William de la Pole steckt.«
    »Das würde mich nicht wundern. Vergangenen Herbst hat er ständig mit Durhams Vetter zusammengesteckt, der ja bekanntlich nicht viel für seinen Cousin übrig hat.«
    Harry fiel aus allen Wolken. »Ist das wahr?«
    Francis nickte. »Ich lüge nur beruflich«, teilte er seinem Sohn kühl mit.
    Harry ging nicht darauf ein. »Ich habe hier ein paar Dokumente, die Durham belasten, und hatte gehofft, wenn du sie dir ansiehst, könntest du vielleicht sagen, wer sie gefälscht hat.«
    »Lass sehen.« Francis streckte die Hand aus, und sein Sohn legte den dünnen Stapel hinein.
    Der König der Diebe trat mit den Urkunden ans Fenster, wo ein Silberleuchter mit fünf Kerzen stand, und studierte sie lange und sehr eingehend. Schließlich sagte er: »Es sind alles Fälschungen bis auf dieses hier.« Er hielt den Dordrecht-Schuldschein hoch.
    Das deckte sich mit ihrer Theorie, aber Harry fragte vorsichtig: »Bist du sicher?«
    »Willst du was hinter die Löffel? Natürlich bin ich sicher.«
    »Und weißt du auch, wer diese Fälschungen gemacht hat?«
    »Es gibt nur ein knappes Dutzend Leute, die in Frage kommen.« Francis dachte einen Moment nach. »Komm morgen nach Einbruch der Dunkelheit wieder. Dann kann ich dir alles sagen.«
     
    Gefälschte Urkunden und Siegel waren ein so einträglicher und stetig wachsender Markt, dass der König der Diebe schon seit einiger Zeit erwog, auch diesen Zweig des Verbrechens in der Stadt unter seine Kontrolle zu bringen. Von Ablassbriefen bis Zollbescheinigungen gab es nichts, was nicht gefälscht wurde; Kreditbriefe für den Fernhandel und Schenkungsurkunden waren die Königsklasse der Branche. All das hatte Francis gelernt, seit diese Wissenschaft sein Interesse geweckt hatte, und er kannte auch die Namen der Männer, die als die Meister dieser Kunst galten.
    Im Laufe der Nacht schickte er ein paar seiner Leute aus, um Erkundigungen einzuziehen. Einer der Fälscher war letzte Woche in Tyburn gehenkt worden, erfuhr er, zwei saßen in Newgate, vier waren an der Pest gestorben, einer erblindet – bis zum Morgengrauen hatte sich die Zahl der möglichen Kandidaten auf drei verringert.
    Alle drei wurden aus den Betten geholt und mit verbundenen Augen nach Billingsgate gebracht. Francis ließ sie bis zum Abend im feuchten, rattenverseuchten Keller schmoren, ehe er zu ihnen ging. Normalerweise gehörte dies nicht zu den Dingen, die er selbst erledigte, aber je weniger Leute von dieser Sache wussten, desto besser, fand er. Mit einer Fackel in der Hand sah er auf die drei verängstigten Männer hinab, blickte jedem von ihnen in die Augen und fragte: »Wer von euch arbeitet für de la Pole?«
    Inbrünstiges Kopfschütteln.
    »Und wie steht es mit Rupert Hillock?«
    Der Fälscher verriet sich mit einem fast unmerklichen Blinzeln.
    Innerhalb weniger Minuten bekam Francis ein umfassendes, vor allem glaubhaftes Geständnis.

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