Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
würden die Wolle hier verarbeiten, dann fielen die Transportkosten und die genannten Risiken weg. Das Geld würde hier verdient.«
»Und der Krone höhere Steuern einbringen«, murmelte Philippa versonnen.
Daran hatte er natürlich überhaupt nicht gedacht, doch er nickte zustimmend.
»Aber glaubt Ihr, englische Wollhändler würden flämische Handwerker beschäftigen? Ausländer?«
»Ganz sicher, Madame. Sie würden sie vermutlich nicht lieben. Aber sie werden sie trotzdem beschäftigen.«
»Hm. Ich glaube, Ihr habt mich auf einen sehr guten Gedanken gebracht, Master Durham.«
Er verneigte sich lächelnd. »Dann bin ich froh, dass ich überfallen wurde und wir uns so begegnet sind, Madame.« Er konnte kaum fassen, dass er etwas so Kühnes und gleichzeitig Galantes gesagt hatte.
Philippa belohnte ihn mit einem strahlenden Lächeln, erwiderte dann aber ernst: »Ihr solltet den Vorfall nicht auf die leichte Schulter nehmen. Vorhin habt Ihr Euch sehr vorsichtig ausgedrückt, aber ich habe doch recht verstanden, dass Ihr eine Erbschaft gemacht habt, nicht wahr? Geld schafft Neider, Jonah. Wer könnte es sein, der es Euch missgönnt? Vor allem, wer würde es erben, wenn Ihr auf dem Weg nach Norwich von Räubern erschlagen würdet?«
Er starrte sie mit großen Augen an. Dann wandte er den Kopf ab und legte die Hand vor den Mund. »Das … kann nicht sein«, flüsterte er.
»Wer ist es?«, fragte sie leise.
Er schaute sie wieder an, aber er sagte nichts. Plötzlich wünschte er sehnlichst, sie würde ihn entlassen. Wie hätte er dieser Fremden einen so abscheulichen Verdacht anvertrauen können? Und es war mehr als ein bloßer Verdacht, musste er erkennen: Rupert war sein einziger Verwandter und damit sein Erbe. Rupert war der Entscheidung über die vorzeitige Auflösung des Lehrvertrages ausgewichen, damit er Jonah noch nach Norwich schicken konnte. Die perfekte Gelegenheit. Außerdem war Rupert in Geldnöten …
»Vertraut mir, Jonah, vielleicht kann ich Euch helfen«, drängte die Königin.
»Aber … warum solltet Ihr mir helfen wollen?«
»Ihr seid Untertan der Krone und habt somit Anrecht auf unseren Schutz.«
Er musste lachen. »Der König hat mir heute das Leben gerettet, Madame; ich glaube, mehr Schutz kann kein Untertan der Krone in Anspruch nehmen.«
»Weicht mir nicht aus«, befahl sie, die Stirn missfällig gerunzelt. »Wenn Ihr es mir nicht sagen wollt, kann ich auch den Mayor von London ersuchen, der Sache auf den Grund zu gehen.«
»Nein, bitte nicht …«
»Also?«
Jonah stieß hörbar die Luft aus, gab sich einen Ruck und vertraute ihr mit leiser Stimme seine Gedanken an.
Die Königin lauschte aufmerksam. Als er geendet hatte, schwieg sie nachdenklich. Dann nickte sie langsam. »Das Verbrechen Eures Vetters wird vermutlich ungesühnt bleiben, da Dermond den zweiten Strolch hat entwischen lassen, der uns die Wahrheit hätte sagen können.«
»Das Verbrechen meines Vetters wird so oder so ungesühnt bleiben, denn wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter«, entgegnete er.
»Nun, die Entscheidung liegt allein bei Euch. Aber erlaubt mir wenigstens, dafür Sorge zu tragen, dass Ihr die Zulassung Eurer Gilde bekommt und nicht länger im Hause Eures Vetters bleiben müsst.«
Er starrte sie verdutzt an. »Wie … wie wollt Ihr das bewerkstelligen?«
Sie lächelte geheimnisvoll. »Lasst mich nur machen.«
Die Gilden und Zünfte waren in ihren internen Entscheidungen vollkommen unabhängig. Aber kein Gildemeister, der bei klarem Verstand war, wäre im Traum darauf gekommen, dem König oder der Königin eine so kleine Bitte abzuschlagen. Man konnte schließlich nie wissen, wann man einmal ihrer Gunst bedurfte …
Jonah konnte sein Glück kaum fassen. Sein großer Traum würde also in Erfüllung gehen. Nicht erst in ferner Zukunft, sondern bald. Er war entsetzt und nicht wenig gekränkt darüber, was Rupert ihm anzutun versucht hatte, aber die freudige Erregung angesichts der Aussichten, die sich ihm plötzlich eröffneten, überwog.
Er sank vor der Königin auf ein Knie nieder. »Madame, ich … ich kann Euch nicht sagen, wie dankbar ich Euch bin. Mir wäre nur wohler, ich wüsste, warum Ihr all das für mich tun wollt.«
Sie sah ihm in die Augen. »Es gibt drei Gründe, Jonah: Erstens, weil Euch ein Unrecht widerfahren ist und Ihr Schutz und Hilfe braucht. Zweitens, weil Ihr mich mit Eurer Idee auf einen Gedanken gebracht habt, von dem ich mir viel verspreche und dessen Tragweite Euch
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