Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Preisabsprachen gibt, an die wir alle uns halten müssen, so schwer es uns auch manchmal fällt?«
»O ja, Sir. Allerdings tritt zum ersten September die Preissenkung in Kraft, die die Gilde letzte Woche beschlossen hat. Da die Ware erst nach diesem Termin geliefert wird, habe ich das berücksichtigt.«
Greene nickte langsam. »Ich nehme den Glückspilz zurück. Ihr seid einfach ein pfiffiger Kaufmann.«
»Danke, Sir. Wünscht Ihr, dass ich Euch nächste Woche die Bücher vorlege?«
»Nein, das wird nicht nötig sein. Ich schaue sie mir hin und wieder an, um mir ein Bild zu machen, welche Richtung Ihr einschlagt, aber ich sehe keine Veranlassung, Euch zu kontrollieren. Ich gehe davon aus, dass Ihr ein Ehrenmann seid, bis Ihr mich vom Gegenteil überzeugt.«
Jonah senkte den Blick und nickte stumm. Er war verlegen und an so viel Freundlichkeit nicht gewöhnt. Er wusste nicht so recht, wie man darauf reagieren sollte, wie man seine Dankbarkeit in angemessener Weise zeigen konnte. Ich bin ein unbeholfener Tölpel und werde es immer bleiben, dachte er unglücklich. Tischsitten hat der alte Drachen mir vielleicht beigebracht, aber das ist auch alles.
Greene entging sein Unbehagen nicht, und er wechselte das Thema. »Ich hoffe, die Frage erscheint Euch nicht ungebührlich neugierig, aber wo bewahrt Ihr das Geld auf, das Eure Großmutter Euch hinterlassen hat?«
»Im Augenblick ist es noch bei Vater Gilbert. Er hat es in seiner Sakristei an einem vollkommen sicheren Ort versteckt. Aber ich war bei einem Tischler und habe eine Eichentruhe mit Eisenscharnieren und -schloss in Auftrag gegeben. Ich werde sie in meine Kammer stellen, die ebenfalls abschließbar ist.«
Der Warden nickte. »So halte ich es auch seit jeher. Ich hoffe, Ihr habt vorausschauend geplant und eine große Truhe bestellt? Zuversicht, mein junger Freund, ist nämlich beinah ebenso wichtig wie kaufmännisches Talent.«
Jonah hob kurz die Schultern. »Ich fürchte, Zuversicht liegt nicht gerade in meinem Wesen, Sir.«
Greene betrachtete ihn einen Moment aufmerksam. »Warum nicht? Ihr hättet allen Grund dazu, gerade jetzt. Ein Vermögen und ein Haus in einer anständigen Gegend sind Euch in den Schoß gefallen, wem ist das schon beschieden? Und Ihr habt Eure Chance erkannt und Euch erkämpft, sie nutzen zukönnen. Das sind vielversprechende Voraussetzungen. Oder hat man Euch vielleicht so lange vorgeworfen, Ihr wäret ein Finsterling und verrückter Träumer, dass Ihr es inzwischen selbst glaubt?«
Es war das erste, aber beileibe nicht das letzte Mal, dass Martin Greene ihn mit seinem ungewöhnlichen Scharfblick schockierte. »Nein.« Obwohl, wer außer einem verrückten Träumer könnte es fertig bringen, sich in die Königin zu verlieben? »Nein, ich denke nicht, Sir. Und was mir an Zuversicht fehlt, mache ich vielleicht durch Ehrgeiz wett.«
Greene nickte versonnen. »Nun, auch der kann Euch nicht schaden, solange er Euch nicht beherrscht. Für einen Kaufmann ist es nicht immer einfach, ein guter Christenmensch zu sein, wisst Ihr. Schon gar nicht für einen begabten Kaufmann.«
Jonah betrachtete ihn neugierig. »Ich bin nicht sicher, dass ich verstehe, was Ihr meint.«
Martin Greene reichte ihm einen wundervollen Silberbecher, der einen tiefroten, burgundischen Wein enthielt. »Vater Gilbert hat einmal gesagt, Gott habe das Fegefeuer eigens für die Kaufleute ersonnen, damit sie nicht alle in die Hölle kommen und dort einen schwunghaften Handel mit Flint und Schwefel eröffnen. Und er hatte Recht. Unseren Gewinn zu mehren ist unser aller Streben. Es ist nicht immer einfach, dabei anständig zu bleiben, das werdet Ihr sehr bald feststellen. Almosen und Barmherzigkeit sind keine lohnenden Investitionen. Darum tun manche von uns sich schwerer damit, als sie sollten.«
»Aber so viele Gildemitglieder haben mir ihre Hilfe angeboten«, protestierte Jonah. »Uneigennützig, nur aus Freundlichkeit.«
Der Warden nickte mit einem traurigen Lächeln. »Das ist nicht weiter schwierig, solange es nichts kostet.«
Jonah schwieg. Greenes Zynismus befremdete und überraschte ihn.
Der ältere Kaufmann winkte mit einem leisen Seufzen ab. »Versteht mich nicht falsch. Es sind viele gute Leute darunter.Aber Habgier ist eine Todsünde, und wir alle laufen ständig Gefahr, ihr anheim zu fallen. Erst letzten Sonntag war ein Mann in meinem Haus zu Gast, der gänzlich von ihr beherrscht wird. Es war erschreckend zu beobachten. Kein Londoner«, fügte er hastig,
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