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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Jonah überquerte den von Unkraut überwucherten Hof, der etwa fünfzehn Yards breit, aber über vierzig Yards lang war, schlüpfte wieder durch die kleine Pforte und fand sich inmitten des dichten, frühmorgendlichen Verkehrsgewimmels wieder. Die Glocken von All Hallows und den umliegenden Kirchen läuteten die erste Stunde des neuen Werktags ein und riefen die Gläubigen zur Frühmesse, doch die meisten der Handwerker und Kaufleute in dieser geschäftigen Stadt fanden nur sonntags Zeit, zur Kirche zu gehen. Und viele, so beklagten der Bischof von London und die zahllosen Priester der Stadt häufig, brachten selbst dann noch ihre Bauchläden mit in die Gotteshäuser und feilschten und wucherten, statt ihrer unsterblichen Seele zu gedenken.
    Ochsen- und Pferdefuhrwerke brachten ihre Waren zu den Kais hinunter oder kamen von dort. Die Kutscher begrüßten oder verfluchten einander – je nachdem –, aber außer ihnen waren noch nicht viele Leute unterwegs. Dies war die Stunde des Tagesbeginns: Die Mägde schürten das Feuer auf oder molken die Kuh im Stall, die Hausfrau weckte die Kinder, und bald würden sich alle zur ersten Mahlzeit des Tages einfinden, ehe dann der Hausherr mit seinen Gehilfen und Lehrlingen das Tagesgeschäft begann und die Kinder in die Schule geschickt wurden.
    Die Bäckereien, Gemüsehändler und Fleischer waren allesamt in Cheapside, aber Jonah musste nicht bis dorthin laufen, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Er machte einen längeren Erkundungsgang durch das Viertel, und als er zurückkam, waren schon zahllose Lehrlingsburschen mit Körben und Handkarren unterwegs, um ihre Waren auszuliefern. Jonah erstand einen Laib Brot und einen Krug Ale für sich selbst, einen halben Krug Milch für den Kater.
    Kaum hatten sie ihr Frühstück einträchtig beendet, erschien ein Diener von Martin Greene, dem Gildewächter, der nun Jonahs »Pate« war, und richtete ihm aus, der Geflügelhändler Robert atte Hille sei vor zwei Tagen verwitwet und kinderlosgestorben und sein gesamter Hausrat werde heute versteigert. Jonah gab dem Diener einen Penny und eilte zum Haus des unbetrauerten Hühnermetzgers. Zwei Stunden später besaß er nicht nur Möbel, Teller, Becher, Krüge, Töpfe, Kerzenhalter, Kohlebecken und Leinen, um sein Haus auf das Vortrefflichste einzurichten, sondern obendrein auch noch die feinsten Daunendecken und Federkissen, die man sich vorstellen konnte. Und all das hatte ihn nicht einmal dreißig Pfund gekostet. Er mietete ein Fuhrwerk, um seinen Hausrat schnellstmöglich in die Ropery transportieren zu lassen, und machte sich äußerst zufrieden auf den Heimweg. Kaum war er zurück, kam ein Lehrling von Elia Stephens, der fragte, ob Jonah sich nicht mit seinem Meister zusammen für die Stadtwache einteilen lassen wolle, Elia werde das gern arrangieren. Und wenig später sandte Mistress Cross, eine Gildeschwester aus East Cheap, ihm Nachricht, sie habe da ein junges Ehepaar an der Hand, einen tüchtigen Waliser mit seiner englischen Frau, falls Jonah jemanden brauche, der für ihn koche und ihn versorge und ihm im Haus und Geschäft zur Hand ginge. Jonah war überwältigt. Er hatte gewusst, dass die Mitglieder der Gilde einander beistanden und unter die Arme griffen, aber er hatte keine Vorstellung gehabt, wie weit diese Hilfsbereitschaft ging.
    »Wie weit sie geht, wirst du in dem Moment feststellen, da du einem von ihnen zum ersten Mal einen Kunden abwirbst«, prophezeite Vater Gilbert, der ihn nachmittags besuchte und Zeuge wurde, wie das große Bett mit den violetten Vorhängen in Jonahs Schlafkammer aufgestellt wurde.
    Jonah führte ihn in die noch unmöblierte Halle. »Das habe ich schon getan«, gestand er.
    Gilbert lächelte wissend. »Lass mich raten. Das Opfer war Rupert?«
    »So ist es. Ich war bei drei Schneidern. Zwei machen mir je ein neues Wams, Surkot, Hosen und so weiter, der dritte einen Mantel.«
    »So bescheiden …«, murmelte der Priester.
    »Ich sagte Euch doch, ich bin eitel.«
    »Ja, ich erinnere mich. Und du hast sie überzeugt, ihr Tuch fortan über dich zu beziehen?«
    Jonah nickte. »Zumindest soweit es sich um feines Tuch handelt. Wolle aus Salisbury, aus Flandern und Italien. Ich will mich auch in feinem Leinen und Seide versuchen. Die billige Massenware überlasse ich Rupert gern.«
    Vater Gilbert machte große Augen. »Aber wo hoffst du, die Kundschaft für deine teuren Waren zu finden?«
    Jonah lächelte und antwortete nicht.
    »Bei Hofe?«, mutmaßte

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