Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
mir seinen Namen.«
    »Cecil.« Sie hatte es schon seit langem beschlossen. Es war der Name ihres Lieblingsbruders, und sie sah keinen Grund, ihn ihrem Kind nicht zu geben, nur weil es nicht vollkommen war. Das war ihr kleiner Bruder bei genauerem Hinsehen auch nicht.Sie nahmen ihr das Kind weg, während sie schlief. Als sie aufwachte, weinte sie bitterlich. Sie war einfach nicht in der Lage, die Sache nüchtern und vernünftig zu betrachten und sich damit abzufinden, dass es so das Beste war, der einzig gangbare Weg. Sie weinte um ihr Kind, wollte es zurückhaben und vor diesem gefräßigen Monstrum beschützen, das die Welt war. Am frühen Morgen kam die Köchin und brachte ihr eine kräftige Brühe, ein paar Stunden später sah auch Lilian nach ihr, aber Annot schickte sie beide weg. Sie wollte keine Suppe und keinen Trost. Kampflos ergab sie sich ihrer Melancholie, lag stundenlang bei geschlossenen Vorhängen im Bett oder saß am Fenster und starrte in den unablässigen Regen hinaus. Sie solle sich lieber keine Hoffnungen machen, dass sie Fieber bekommen und sterben werde, sagte ihr die Hebamme, die sie jeden zweiten Tag besuchte, denn sie sei kerngesund und habe die Geburt unbeschadet überstanden.
    Somit war es ihr also nicht beschieden, Lady Prescote ein Schnippchen zu schlagen und sich auf diesem Wege um die Erfüllung der Abmachung zu drücken, musste sie erkennen. In Wirklichkeit hatte sie kaum damit gerechnet. Sie hatte längst erkannt, dass dieser einfache Weg nicht der ihre war. Also erholte sie sich und wurde von Tag zu Tag kräftiger, fand ihren Appetit wieder, lange bevor sie die Trennung von ihrem Kind verwunden hatte, und wartete, ohne zu wissen worauf. »Alles, was du wissen und können musst, wird man dir beibringen«, hatte Lady Prescote zu ihr gesagt. Annot hatte inzwischen genug gehört, um zu wissen, wie das normalerweise vonstatten ging: Ein Krug billiger Branntwein und eine Horde bestialischer Kerle waren es für gewöhnlich, die die Mädchen in den billigen Hurenhäusern oder drüben in The Stews in ihr Gewerbe einführten. Aber sie wusste, hier waren die Dinge anders. Also wartete sie, und je länger sie wartete, umso größer wurde ihre Nervosität.
    Derweil spürte sie, wie ihr Körper zur Normalität zurückkehrte. Der nutzlose Milchstrom versiegte, und ihre Brüste verkleinerten sich wieder ein wenig, wenn sie auch rund und prallblieben und größer als vor der Schwangerschaft. Ihr Bauch straffte sich. Heimlich betrachtete sie sich in dem kleinen Spiegel, den sie in der Truhe am Fenster gefunden hatte, und stellte nicht ohne Zufriedenheit fest, dass die Schwangerschaft keine bleibenden Spuren hinterlassen hatte. Sie hatte immer rundliche Formen gehabt und würde nie eine Wespentaille wie Lady Prescote oder Lilian vorweisen können, aber ihre Rundungen waren glatt und samtweich und fest.
    Vielleicht drei Wochen waren seit ihrer Niederkunft vergangen, als Cupido zu ihr kam.
    »Was willst du?«, fragte sie eher verwundert als unfreundlich.
    Cupido war der junge Diener, der sie und Vater Julius damals hier eingelassen hatte. Eigentlich hieß er George oder möglicherweise auch Gregory, doch weil er so ein hübsches Jungengesicht und so wunderbare blonde Locken hatte, riefen ihn alle im Haus beim Namen des schönen Liebesgottes, der mit Pfeil und Bogen in so vielen Geschichten so viel Verwirrung und Unheil stiftete. Er war ein sanftmütiges Geschöpf, sah im Haus nach dem Rechten und hatte ein offenes Ohr für jeden Liebeskummer, aber wenn einer der Gäste sich so rüpelhaft benahm, dass er vor die Tür gesetzt werden musste, bewies der eher schmächtige Cupido erstaunliche Kräfte.
    Mit einem anmutigen, fast gleitenden Schritt trat er über die Schwelle und schloss die Tür. »Lady Prescote schickt mich zu dir«, erklärte er. Er hatte eine angenehme, klangvolle Stimme. »Ich soll dich in den Liebeskünsten unterweisen, wenn du die blumige Umschreibung verzeihen willst. Sie nennt es gerne so.«
    Annot erhob sich langsam von ihrem Schemel am Fenster. »Du? Aber ich dachte … Ich meine, Lilian hat gesagt …« Sie brach ab, hoffnungslos verlegen.
    Cupido lachte leise. »Sie hat gesagt, ich hielte es lieber mit Männern?« Er schüttelte den Kopf. »Das ist nur die halbe Wahrheit. Man kann wohl sagen, ich liebe die Liebe, ganz gleich in welcher Form und weitaus mehr als das jeweilige Objekt meiner Begierde. Deswegen haben sie mir diesen Namen gegeben.«
    Annot betrachtete den jungen Mann,

Weitere Kostenlose Bücher