Der Koenig geht tot
herunter. Er trug ein kariertes Hemd, das mindestens fünf Jahre alt war, dazu eine ausgewaschene Jeans.
Wie viel verdient so ein Bulle wohl, dachte Max unvermittelt. Aller Wahrscheinlichkeit nach mehr als ein Taxifahrer. Dann streckte er Christoph Steinschulte die Hand entgegen.
8
Die Nachricht erreichte mich während der Vorbereitung für die Geschichtsdoppelstunde in der 11. Ich hatte mir die Hoffnung abgeschminkt, daß ich in den Tagen vor den Sommerferien noch eine Chance hatte, in den Filmraum zu kommen, und machte mich nun auf zwei schwierige Stunden gefaßt. Immerhin hatte ich eine ganz originelle Quelle entdeckt, die den Schülern bestimmt gefallen würde, als das Telefon klingelte. Es war Max.
»Ich hab eine Neuigkeit aus Stichlingsen!« sagte er knapp.
Ich antwortete nicht.
»Wilfried König ist wahrscheinlich wirklich ermordet worden!«
»Das gibt’s nicht. Woher weißt du das?«
»Von Christoph Steinschulte. Die Meldung muß auch unter uns bleiben, das hatte ich ganz vergessen!«
»Alexa?« fragte ich.
»In Ordnung, wenn’s dabei bleibt.«
»Jetzt erzähl mal. Woher weiß man das?«
»Es gibt verschiedene Hinweise, die sich bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung sowie bei der Untersuchung des Tatortes ergeben haben. Zum einen hat man etwa zehn Meter von Königs Fundort entfernt Reifenspuren entdeckt.«
»Das wundert mich«, warf ich ein. »Der Boden ist ja zur Zeit knochentrocken. Da dürfte es schwierig sein, Abdrücke zu bekommen.«
»Da hast du recht«, stimmte Max zu. »Es sind auch keine besonders guten. Aber paß auf: Der Hammer kommt jetzt.« Max ließ mich für den Bruchteil einer Sekunde zappeln, bevor er fortfuhr. »An Königs Armen sind blaue Flecken ausgemacht worden, und zwar an den Oberarmen. Es sieht aus, als hätte jemand ihn dort sehr grob gepackt, so als hätte man ihn schütteln wollen. Eine weitere leichte Prellung findet sich am Brustkorb, wahrscheinlich von einem Schlag.«
»So genau kann man das sagen?«
»Steinschulte meinte, der endgültige Bericht der Medizin komme erst morgen, doch am Telefon konnte man ihm schon die ersten Ergebnisse mitteilen.«
»Aller Voraussicht nach hat König sich also geprügelt oder zumindest gerangelt. Aber kann das nicht auch schon einige Zeit vorher passiert sein? Auf dem Schützenfest? Während der tödliche Sturz ganz ohne Einwirkung passierte?«
»Natürlich ist das theoretisch möglich«, gab Max zu. »Aber man muß sich einfach fragen, was wahrscheinlicher ist.«
Im stillen mußte ich meinem Freund recht geben.
»Die letztendliche Todesursache war der Sturz auf diesen Grenzstein«, erzählte Max.
»Das hatten wir ja auch vermutet«, murmelte ich.
»Man kann sicher sagen, daß der Fundort auch der Tatort war. Außerdem paßt die Wunde am Kopf zu dem Stein. Darauf hat man übrigens mehrere blutverklebte Haare gefunden.«
»War dieser Wilfried König eigentlich stark alkoholisiert?« wollte ich wissen.
»Das kann man wohl sagen! 1,8 Promille hatte er im Blut. Er dürfte ziemlich geschwankt haben, als er sich auf den Weg machte.«
»Das wiederum spricht doch für einen Unfall«, warf ich ein. »Der Mann war sturzbetrunken. Kein Wunder, wenn der gestolpert und auf diesen Stein geknallt ist.«
»Es gibt noch ein interessantes Detail«, fügte Max hinzu. »An Wilfried Königs Pullover hat man etwas entdeckt. Sein Sweatshirt hatte einen Reißverschluß am Ausschnitt, und an dem haben sich zwei Fädchen verheddert, weiße Baumwollfädchen, die bei einem Kampf oder Stoß hängen geblieben sein könnten.«
»Kann man damit etwas anfangen?« fragte ich gespannt.
»Sie stammen von einem Kleidungsstück, das mit einem extrem dünnen Faden gesponnen ist. Von einem Handschuh zum Beispiel«, erklärte Max. »Die Fädchen könnten von weißen Handschuhen stammen.«
»Du bist ja verrückt. Weiße Handschuhe. Wir haben Hochsommer. Kein Mensch trägt bei diesem Wetter Handschuhe.«
»Wir haben Hochsommer, das stimmt«, sagte Max lässig. »Aber wir haben Schützenfest. Und da tragen eine ganze Menge Leute weiße Handschuhe. Passend zu ihren Uniformen.«
9
Alexa öffnete das Fenster ihres Wagens und ließ die Haare flattern. Es war ein wunderschöner Morgen und es hatte ihr heute nicht das geringste ausgemacht, die Hausbesuche zu übernehmen. »Stallbesuche« wäre wohl angebrachter. Denn meistens trieb man sich als Tierärztin ja nicht gerade in gemütlich eingerichteten Wohnzimmern herum, sondern in halbdunklen, muffigen
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