Der Koenig geht tot
stattgefunden.
Alfons Reckert begann, die Anwesenden zu begrüßen. Es war zum Schießen. Er tat, als sei es eine Selbstverständlichkeit gewesen, daß das Fest abgebrochen worden war. Max prustete in sich hinein. Hätte Johannes Osterfeld nicht zu einer kleinen Machtdemonstration gegriffen, hätte Reckert sein Vogelschießen womöglich durchgedrückt. Wenn aber der große Sponsor und Gönner der Schützenbruderschaft St. Sebastianus seine Stimme erklingen ließ, dann war jemand wie Alfons Reckert kleiner als jede Küchenschabe.
Der Zweite Vorsitzende bedankte sich ausführlich beim Schützenkönig, der sich bereit erklärt hatte, ein Jahr länger im Amt zu bleiben. Dirk Beierle antwortete mit einem Gähnen. Dann grüßte Reckert den Schützenoberst Gerhard Streiter, der trotz der Verwandtschaft zu Wilfried König am Treffen teilnahm.
»Das bin ich ihm doch schuldig«, sagte der blasse Gerhard Streiter bescheiden, und die anderen Schützen applaudierten gerührt – vor allem Streiters Adjutant Berthold Griese.
Als wieder Stille eingekehrt war, schickte Reckert ein joviales Lächeln zu Max hinüber.
»Wie ihr ja mitbekommen habt, hat unser Erster Vorsitzender Jupp Baumüller, der uns in dieser schwierigen Lage ganz besonders fehlt, seinen Vertrauten Max Schneidt geschickt. Max, du kannst uns sicher Grüße von Jupp überbringen, oder?«
Max fühlte sich wie in einer Fernsehshow, in der man plötzlich, ohne Vorbereitung, vor die Kamera gezerrt wird.
»Natürlich läßt Jupp schön grüßen«, antwortete Max. Er überlegte einen Augenblick. Dann sprach er weiter. »Außerdem läßt er etwas ausrichten, das ihm sehr wichtig ist. Wie ihr alle wißt, ermittelt die Kripo bezüglich des Todes von Wilfried König. Noch immer ist nicht geklärt, ob bei dem Vorfall Fremdverschulden im Spiel war. Jupp hat daher eine große Bitte. Er möchte, daß die Todesumstände eindeutig geklärt werden, und bittet dabei um intensive Unterstützung der Polizeiarbeit. Um Jupps Worte genau wiederzugeben: Es geht jetzt nicht darum, die Schützenbruderschaft aus allem rauszuhalten. Wichtig ist, daß die Todesumstände aufgeklärt werden, und dazu kann der eine oder andere von euch vielleicht etwas beitragen.«
Es folgte eine kleine Pause. Keiner der Schützen reagierte direkt auf das, was Max gesagt hatte.
Endlich ergriff Jürgen Hebel das Wort. »Ich kann Jupp da nur zustimmen. Sicherlich wird sich jeder von uns den Fragen der Polizei stellen. Soviel ich weiß, werden die Beamten ja auch gleich noch zu uns stoßen, nicht wahr, Alfons?«
Reckert nickte. »Vielleicht können wir vorher noch zu einem anderen Punkt kommen. So tragisch der Unfall von Wilfried König auch ist – wir müssen uns den Fragen der Zukunft stellen. Ich brauch’ euch nicht zu erklären, daß das gestern für uns eine kleine Katastrophe war. Ich meine, was jetzt die Finanzen angeht! Die Renovierungsarbeiten des letzten Jahres haben uns eine Menge Geld gekostet. Das Pflaster auf dem Vorplatz, die neue Küche, die sanitären Anlagen – all das will bezahlt werden. Da kommt uns der finanzielle Ausfall des heutigen Tages nicht gerade zupaß. Und auch gestern hatten wir im Bierverkauf nicht den Gewinn, den wir im Normalfall gehabt hätten.«
Den ihr gehabt hättet, wenn Königs Tod nicht verkündet worden wäre und die Leute in Ruhe weitergesoffen hätten, fügte Max in Gedanken hinzu.
»Kannst du uns hierzu schon mal einen Einblick geben, Jürgen?« wandte sich Reckert nun an den Kassenführer.
»Zu früh, zu früh!« beeilte Hebel sich zu sagen. »Erst wenn die Abrechnungen von der Brauerei da sind, kann ich dazu Genaueres sagen. Allein von meinen Schätzungen her werden wir allerdings um 40% unter den Vorjahreseinnahmen liegen.«
Ein Raunen ging durch die Reihen. Max hatte zwar keine Ahnung, um welche Summe es hier ging, aber er prägte sich die 40% ein, um Jupp nachher Auskunft geben zu können.
»Scheiß Spiel!« entglitt es Reckert. »Wir werden in nächster Zukunft etwas sparen müssen. Doch dank unserer großzügigen Sponsoren werden wir wohl keinen weiteren Kredit aufnehmen müssen.«
Das dürfte sich wohl auf einen einzigen Mann beziehen, dachte Max. Reckert wird schon wissen, warum er vor dem Osterfeld winselt.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und die Kripo kam herein. Der bärtige Hauptkommissar Hortmann wieder in seiner speckigen Lederjacke, Christoph Steinschulte in einem Lacoste-Polohemd und einer Designer-Hose. Max blickte an sich
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